Bis Juni will die Interimsregierung das Projekt des nationalen Programms für die bulgarische EU-Präsidentschaft vorlegen. Das gab Vizeregierungschefin Deniza Zlatewa gestern auf einer Konferenz in Sofia bekannt. Organisiert wurde das Forum von der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Bulgarischen diplomatischen Gesellschaft und dem Institut für wirtschaftliche und internationale Beziehungen. Die endgültige Fassung des Papiers soll allerdings erst kurz vor Beginn des EU-Ratsvorsitzes im Januar 2018 vorliegen. Eine wichtige Priorität darin bildet die Schwarzmeerregion.
Die Schwarzmeerregion ist Schnittstelle vieler Interessen der EU, der NATO und Russlands. Allein das schon reicht aus, um diesem Teil Europas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Region stand schon immer im Blickwinkel geostrategischer Interessenskonflikte der Großmächte. Seit dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens zieht sie nun auch wirtschaftliche Interessen an. Vizeregierungschefin Zlatewa, die für die Vorbereitung Bulgariens auf die erste EU-Ratspräsidentschaft Bulgariens zuständig ist, sagt, warum die Schwarzmeerregion im Mittelpunkt der EU stehen muss.
„Es ist wohl allen klar, dass diese Region eine strategisch wichtige Bedeutung für die Europäische Union hat. Ein Beweis dafür ist die Mitgliedschaft Bulgariens und Rumäniens seit nunmehr zehn Jahren“, sagt Zlatewa.
Dies bestätigte auch Georgi Pirinski, ehemaliger Außenminister Bulgariens und nun sozialistischer Europaabgeordnete. Ihm zufolge diskutiert die EU immer mehr über eine gemeinsame Verteidigungspolitik. Und die NATO drängt auf die Erhöhung der Haushaltsmittel für Verteidigung. Das sei zwar notwendig, jedoch nicht ausreichend, meint der Diplomat. Und setzt auf mehr Diplomatie bei der Konfliktlösung in der Region.
„In der Schwarzmeerregion gibt es ausreichend Voraussetzungen, um die bereits bestehenden diplomatischen Initiativen auszubauen, so dass die wachsende Spannung und Konfrontation gedämmt werden können“, meint der Diplomat. „Ich bin überzeugt, dass die Schwarzmeerregion als Priorität der bulgarischen Ratspräsidentschaft als Thema während des folgenden österreichischen und dann rumänischen Ratsvorsitzes vertieft werden kann. Denn dieses Thema ist viel zu aktuell und brisant, so dass wir es heute behandeln müssen“, meint Pirinski.
Die Schwarzmeerregion war schon immer ein Austragungsort lokaler Konflikte und Kontroversen, betonte Ljubomir Kjutschukow, Vorsitzender des Instituts für wirtschaftliche und internationale Beziehungen in Sofia. Ihm zufolge geht man bei der Problemsuche leider viel zu selten weiter, als gegenseitige Schuldzuweisungen. Und so sieht er die Region heute:
„Zahlreiche ungelöste bilaterale Konflikte, viele Kriegshandlungen, viele Waffen und vor allem – eine direkte Konfrontation, die uns viel zu sehr an den Kalten Krieg erinnert“, zählt Kjutschukow auf. „Im Gegensatz zu den unmittelbaren Nachbarn Russlands, sehen Bulgarien und die meisten südosteuropäischen Länder die Risiken für die eigene Sicherheit weniger in einer direkten Aggression im Osten, als vielmehr in der grundsätzlichen vergifteten Sicherheitslage in der Schwarzmeerregion, die auf die Konfrontation zwischen Russland und der NATO zurückzuführen ist. Das macht die südosteuropäischen Länder verwundbar, wenn es um die Sicherheitsgefahren Terrorismus, radikaler Islam, Instabilität aus dem Nahen Osten und Flüchtlingsandrang geht“, so Ljubomir Kjutschukow.
Ihm zufolge hat Russland nicht das Potential, den südosteuropäischen Ländern eine Alternative zu bieten. Den europäischen Spitzenpolitikern rät er, öfter auf die Geschichte zu schauen, die eindeutig zeigt, dass es besser ist, mit Russland zu verhandeln, als gegen Russland Krieg zu führen.
Fotos: Friedrich-Ebert-Stiftung und BGNES
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