Die Nationale Kunstgalerie „Quadrat 500“ stellt zum ersten Mal ihre gesamte Sammlung mit Werken von Malern aus Kroatien, Serbien und Slowenien aus, die vor 110 Jahren auf der Sofioter Ausstellung des Verbandes südslawischer Maler „Lada“ gezeigt wurden. Der Verband selbst war 1904 auf die Idee des serbischen Bildhauers Đorđe Jovanović hin gegründet worden. Der Grundgedanke bestand darin, die kulturellen Werte der genannten Balkanländer und Bulgariens zu festigen, deren bildende Kunst zu fördern und zu popularisieren. Die meisten Ziele wurden erreicht und der Verband hat bleibende Spuren im Kunstaustausch des 20. Jahrhunderts hinterlassen.
Im Jahre 1906 hatten sich die Neuerer unter den bildenden Künstlern der vier aufstrebenden Balkannationen in der bulgarischen Hauptstadt Sofia eingefunden, um die Gleichstellung ihrer Kunst im gesamten Europa zu fordern. Ihnen schlossen sich etliche Historiker, Archäologen und Schriftsteller an. Die Nationale Kunstgalerie „Quadrat 500“ nahm den 110. Jahrestag seit jenem denkwürdigen Treffen zum Anlass und erinnert mit ihrer Ausstellung daran. Näheres erzählte uns Kalin Nikolow, Kurator der Ausstellung:
„Bei dem Treffen handelt es sich um eine sehr wichtige Seite aus der europäischen Kulturgeschichte“, ist der Kurator überzeugt. „Für gewöhnlich meiden es die kleineren Völker in bestimmten Perioden ihrer Geschichte über die Offenheit der Kultur zu sprechen und dass sie ein geteiltes Gewandt der gesamten Menschheit ist, das sich der gesamten Palette ihrer Phantasie und der Gesamtsicht des Universums mit allem Sichtbarem und Unsichtbarem bedient. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergab sich der glückliche Umstand, dass sich die Bulgaren am Verband südslawischer Maler beteiligen konnten. Ehrenvorsitzender dieser Bewegung war nämlich der tschechische Maler Jaroslav Věšín, der zu jener Zeit in Bulgarien lebte und arbeitete.“
Die damaligen europäischen Kunstströmungen, wie Impressionismus, Neoimpressionismus, Jugendstil, Expressionismus und andere, waren der bulgarischen bildenden Kunst fremd. An dieser Stelle kommt berechtigt die Frage auf, ob nicht gerade dieser Umstand den Ehrgeiz der vereinten Balkanvölker anfeuerte, aufzuholen und auf der Kunstbühne Europas gleichberechtigt aufzutreten?
„Der bulgarische Publizist, Historiker und Diplomat Simeon Radew hielt anlässlich der Präsentation von Werken slowenischer Maler in Bulgarien folgendes fest: „Wir sahen, dass die Ausstellung viel Gelächter verursachte... Noch vor einigen Jahrzehnten hatte das französische Publikum mit einem ähnlichen Gelächter die ersten Landschaftsbilder der Impressionisten bewertet“. Es handelte sich um einen konstruktiven Weg der Kunst, aus dem Schatten der akademischen Schablone und der Scheinwelt pseudoklassischer Illustrationen zu treten. Die junge bulgarische Künstlerintelligenz zeigte sich ihrerseits bereit, die neuen Kunstströmungen Europas aufzunehmen“, meinte Kalin Nikolow.
Ein Beispiel für diesen Wunsch sind die Werke des heute anerkannten bulgarischen Impressionisten Nikola Petrow. Er hat uns eine Reihe von Stadtansichten Sofias hinterlassen, auf denen Gebäude zu sehen sind, die den Einzug Europas in die bulgarische Hauptstadt verdeutlichen. Petrow interessierte sich wie seine Kollegen in Paris, München oder London für das moderne Stadtleben mit seinem Lärm und quirligen Treiben. Das belegt, wie wichtig diese Periode in der bulgarischen Kunstentwicklung war.
„Man darf jenes nicht vernachlässigen, das von den Balkanländern geleistet worden ist“, sagt weiter der Kurator der Sofioter Ausstellung. „Wir können einzig uns die Schuld geben, dass die Welt nichts von unseren Künstlern weiß, weil wir selbst sie nur mangelhaft kennen. Ich appelliere an alle Bulgaren, in unsere Galerie zu kommen, um sich mit der Kunst ihrer Vorfahren vertraut zu machen. Es wird ein Treffen der bulgarischen Kultur mit der modernen Kunst vor 110 Jahren sein.“
Die ausländischen Besucher Sofias sind natürlich ebenfalls zu dieser Ausstellung eingeladen, die ihnen etliche Aspekte der damaligen Kunstrezeption aufzeigen wird.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: Nationale Kunstgalerie „Quadrat 500“
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