Der städtische Nahverkehr und der Stadtverkehr überhaupt sind zwei Dinge, die das Leben der Städter zwangsläufig begleiten. Häufig fährt man mit der Straßenbahn, dem Bus oder dem O-Bus ohne auch nur den anderen Fahrgästen eine Beachtung zu schenken. Manchmal wird man jedoch unwillentlicher Zeuge von Gesprächen, die in gesammelter Form zumindest eine Nominierung für einen Nobelpreis verdienen würden. Der Fotograf Christo Rachnew begnügte sich nicht mit den Erzählungen, sondern hielt seine Eindrucke fest. Sie sind nun unter dem Motto „Über die Trams gibt es Lieder und Poeme“ als Fotoausstellung zu sehen. Was möchte er uns damit zeigen?
„Die Botschaft hängt mit den Wegen der Menschen zusammen, an denen wir täglich vorbeigehen“, sagt der Fotograf. „In ihnen kann man viele interessante Dinge entdecken, denen man sonst keine Aufmerksamkeit schenkt. Ich meinerseits will auf sie aufmerksam machen. Wir müssen anfangen, uns gegenseitig besser zu beobachten – was wir machen, wohin wir gehen, warum wir es machen und was wir uns dabei denken.“
Die Bahnhöfe, Boulevards, Plätze und Verkehrsmittel dienen in Liedern und Gedichten häufig als Symbole für die ewigen Erwartungen nach dem Guten, nach Liebe und Hoffnung. Doch etwas scheint uns entgangen zu sein!
„Die O-Busse sind bisher immer ins Hintertreffen geraten“, meint Christo Rachnew. „Meiner Ansicht nach kann man gerade in den O-Bussen und um sie herum die Augen der Menschen entdecken. In ihnen spiegelt sich alles wider – von Liebe bis Sorge, überhaupt all das, was einem Menschen im Kopf herumgeht. Das ist für mich interessant und ich habe versucht, es für die anderen einzufangen.“
Die Fotoausstellung besteht aus einer Vielzahl an Schnappschüssen, die zusammen einen riesigen O-Bus bilden, der die Gedanken des gewöhnlichen Bürgers tagtäglich irgendwohin fährt. Christo Rachnew hat die Gründe vor die Entfremdung in den Bussen und Bahnen analysiert. Sie rühre von unserer Angst her, uns offen zu etwas zu bekennen. Eine Reaktion darauf sieht der Fotograf in den Losungen und Graffiti, die Unzufriedene an die Wände malen. Sie sind ein Hilfeschrei, der im Alltag untergeht.
Christo Rachnew ist von Haus aus eine Künstlernatur, denn sein Vater Elin Rachnew gehört zu den bekannten Schriftsellern und Dramaturgen Bulgariens. Christo ging jedoch seine Wege und entdeckte für sich die Kunst der Fotografie. Und dennoch tritt er in gewisser Weise in die Fußstapfen seines Vaters, denn beide sind für ihre Mitmenschen und ihre Schicksale empfänglich, reagieren aber mit unterschiedlichen künstlerischen Mitteln darauf.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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