Zwangsehe, sexuelle Ausbeutung von Frauen, aber auch von Männern und Jungen, Organentnahme – das sind nur wenige der Formen von einem der ekligsten Verbrechen, die es gibt: Menschenhandel. Heute wird der Europäische Tag zur Bekämpfung des Menschenhandels begangen. Die einschlägige bulgarische Regierungskommission startet aus diesem Grund wieder eine Aufklärungskampagne, um die Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren. Denn, wie Dessislawa Iwanowa von der Kommission zur Bekämpfung des Menschenhandels in Sofia sagt, sind verschiedene Bevölkerungsgruppen anfällig.
"Das Profil der Opfer ist nicht eindeutig zu umreißen, denn jeder kann in diese Situation hineinschleudern", behauptet die Expertin. "Die Strippenzieher sind einfach sehr erfinderisch und greifen nicht nur zur Gewalt, sondern reden auf die Opfer ein. Daran liegt etwa auch, dass in letzter Zeit immer mehr Menschen Opfer eigener Freunde und Bekannte werden", sagt Dessislawa Iwanowa.
Dennoch kann sie zusammenfassen, dass Menschen aus ärmeren und entlegenen Gegenden anfälliger sind. Opfer werden auch ungebildete Menschen, die keinen Zugang zur Information haben und nicht einmal ahnen, dass es das Verbrechen Menschenhandel gibt. Sie werden meistens von einer lukrativen Jobanzeige im Ausland gelockt, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
"Besonders anfällig sind auch die ethnischen Minderheiten, die oft mit ihren kulturellen Besonderheiten und Bräuchen eingekapselt leben, wie etwa die Roma", sagt Dessislawa Iwanowa weiter. "Trotzdem muss ich betonen, dass Opfer des Menschenhandels auch Menschen aus vollkommen normalen, gesunden Familienverhältnissen werden, die gebildet und eigentlich gut informiert sind. Doch, auch sie werden von Jobanzeigen im Ausland angelockt, weil sie von einer besser bezahlten Arbeit und einem besseren Leben träumen", warnt die Expertin.
Beim Menschenhandel sind aber beide Seiten mittätig – sowohl der Menschenhändler und das spätere Opfer, aber auch das aufnehmende Land. Wohin reisen die meisten Opfer aus Bulgarien?
"In den vergangenen drei Jahren kamen die meisten Anzeigen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien, also aus wirtschaftlich stabilen Ländern, die im Vergleich zu Bulgarien eine bessere Bezahlung und bessere Lebensbedingungen anbieten können", sagt Dessislawa Iwanowa. "In letzter Zeit bekommen wir allerdings immer mehr Signale aus Tschechien, wo vor allem Männer in der Industrie, in der Fleischverarbeitung oder in der Landwirtschaft ausgebeutet werden. Die Zielländer für sexuelle Ausbeutung sind in der Regel in Westeuropa", sagt die Expertin.
Obwohl der Menschenhandel besonders schwierig zu ermitteln ist, verzeichnet man in Bulgarien gewisse Erfolge. Die Anzahl der eingereichten Klagen und Gerichtsurteile liegt jedoch nach wie vor deutlich unter der Zahl der Opfer. Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge wurde in 316 Fällen der sexuellen Ausbeutung ermittelt. Es gab 42 weitere Klagen, einschließlich wegen Organentnahme und Babyverkauf. Die Experten gehen davon aus, dass es in den 85 neuen Fällen im vergangenen Jahr um mindestens 100 Opfer handelt. Wie Dessislawa Iwanowa ausführt, ist die Ermittlung dieser Fälle aus zwei Gründen besonders schwierig:
"Zum einen tritt der Menschenhandel nicht in seiner reinen Form auf, d.h. meistens handelt es sich um mehrere Verbrechen, wie Grenzverletzung, Verstoß gegen das Arbeitsrecht, Steuerhinterziehung usw.", führt Dessislawa Iwanowa aus. "Der zweite Grund ist, dass relativ wenige Anzeigen eingehen, weil die Öffentlichkeit dieses Verbrechen nur schwer erkennt."
Es gibt aber auch einen weiteren Grund. Viele der Opfer, die es ins Ausland geschafft haben und dort ihr Geld verdienen, sind damit zufrieden und betrachten sich nicht als Opfer. Diese Menschen kann man nur schwer überzeugen, gegen die Menschenhändler auszusagen, denn nicht selten sind es eigene Verwandte und Freunde. Und noch etwas:
"Darüber hinaus haben die Opfer, wenn sie sich erstmals als solche betrachten, Angst, auszusagen. Sie haben Angst, dass der Menschenhändler sie findet und all jene Androhungen wahr werden, die sie immer wieder von ihm gehört haben. Denn meistens werden nicht nur die Opfer selbst bedroht, sondern es werden auch die Familienmitglieder in Bulgarien erpresst", sagte abschließend Dessislawa Iwanowa von der bulgarischen Regierungskommission zur Bekämpfung des Menschenhandels.
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