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Der Balkan – ein Kreuzweg östlich des Westens und westlich des Ostens

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Foto: Friedrich Ebert Stiftung Bulgarien

"Der Nationalismus ist auf den Balkan zurückgekehrt, ohne ihn jemals verlassen zu haben." Diese traurige Feststellung gehört dem angesehenen bulgarischen Historiker Prof. Andrej Pantew und könnte als Motto einer Konferenz dienen, die die Friedrich-Ebert-Stiftung in Sofia organisiert hat. Darauf diskutierten führende bulgarische Diplomaten die Prozesse in Südosteuropa.

Dr. Bobby Bobew vom Balkaninstitut der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften war langjähriger bulgarischer Botschafter in diversen Balkanländern. Auf der Konferenz stellte er fest: "Jahrhunderte lang war die Balkanhalbinsel nicht nur Peripherie für die europäische Politik, sondern auch eine Grenzzone." Weiter führte er aus:

Снимка"Die Grenze zwischen der Orthodoxie und dem Katholizismus verläuft mitten durch die Balkanhalbinsel und ist eine Art Grenze zwischen verschiedenen Zivilisationen", behauptet Dr. Bobew. "Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Balkan wieder eine Grenzzone, diesmal zwischen der NATO und dem Ostblock. Nach der Wende schien es, als ob sich alles in die richtige Richtung entwickelt, doch dann kam der blutige Bürgerkrieg in Jugoslawien, der zum Zerfall des Bundesstaates geführt hat. Und dennoch haben es die Balkanländer geschafft, heute in eine Richtung zu schauen – ausnahmslos alle Länder der Region haben die Mitgliedschaft in der NATO und der Europäischen Union zu ihrem außenpolitischen Ziel erklärt. So etwas kommt hier nicht alle Tage vor. Aber wir müssen auch mit Hand aufs Herz sagen, dass die EU einen großen Fehler begangen hat. Warum, um Gottes Willen, musste der EU-Kommissionspräsident erklären, dass es bis 2020 keine Erweiterung mehr geben wird? Das hat zur aufsteigenden EU-Skepsis geführt. Hier ein Beispiel: Eine ernstzunehmende Meinungsumfrage in Mazedonien hat 2008 ergeben, dass 96 Prozent der Bevölkerung den EU-Beitritt unterstützt. Dieses Jahr sind es nur noch 71 Prozent", sagt Dr. Bobby Bobew.

Über die Isolationsgefahr der Westbalkanländer sprach auch Ljubomir Kjutschukow, der das Institut für Wirtschaft und Außenpolitik in Sofia leitet. Ihm zufolge ist die EU-Erweiterung für Brüssel nicht nur keine Priorität mehr, sondern es stelle sich die Frage, ob es überhaupt eine Erweiterung geben soll. "Das hat die Länder in der Region stark demotiviert, die Reformen fortzusetzen", behauptet der frühere Vizeaußenminister Bulgariens. Politische Beobachter behaupten sogar, dass die Verschiebung der EU-Erweiterung zum steigenden Einfluss Russlands auf dem Balkan geführt hat. Ljubomir Kjutschukow teilt diese Meinung nicht und begründet, warum:

Снимка"Das Dilemma `Europa oder Russland` ist größtenteils unrealistisch, und wird konkret im Fall Bulgariens für innenpolitische Zwecke missbraucht", behauptet Ljubomir Kjutschukow. "Es stimmt schon, dass Russland in den vergangenen 250 Jahren eine Schlüsselrolle auf dem Balkan gespielt hat, aber in den vergangenen 25 Jahren ist Moskau keine Alternative für die südosteuropäischen Länder, denn es hat mit Ausnahme der Energiequellen keine wirtschaftliche Macht und bietet im Gegensatz zu den Jahren des Kalten Krieges keine ideologische Alternative mehr. Russland hat nicht das Potential, die Balkanregion zu zersplittern", meint der erfahrene Diplomat. Stattdessen stellt er eine andere, brisante Frage:

"Kann der gemäßigte Islam auf dem Balkan der Radikalisierung in Europa standhalten? Der radikale Islam war auf dem Balkan nie heimisch. Aber es besteht durchaus die Gefahr, dass er sich einen Weg in die Köpfe der Moslems macht. Die Zahlen über die rekrutierten IS-Kämpfer aus den Balkanländer sind Grund genug, um sich Sorgen darüber zu machen", meint Ljubomir Kjutschukow.

Zahlreiche politische Beobachter in Bulgarien kritisieren, dass die islamistische Gefahr in Südosteuropa bereits in den 1990er Jahren unterschätzt wurde. Dennoch stehe fest, dass die Moslems in den Balkanländern keine Fanatiker sind.

Снимка"Die IS-Kämpfer aus Mazedonien, Albanien und dem Kosovo sind in erster Linie arme Menschen", betonte der langjährige Diplomat Walentin Radomirski. Und weiter:

"Der größte Fehler der NATO und der EU war, dass sie keine soziale und wirtschaftliche Perspektive für die Region umrissen haben, in Anlehnung an den Marshall-Plan für Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg", sagt Walentin Radomirski. "Heute besteht die Gefahr, dass die Balkanregion wegen der fehlenden Integrationsperspektive eine Puffer-, ja sogar eine Grauzone in Europa bleibt. Die Flüchtlingskrise hat die Westbalkanländer radikalisiert und stellt die Menschen dort vor immensen Herausforderungen. Die Region bekommt keine Unterstützung aus Brüssel", stellt Radomirski fest.



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