„Unerwartete Ferien“ – so heißt eines der heißgeliebten bulgarischen Spielfilme aus den 1980er, der eigentlich für Kinder gemacht ist, aber auch die Herzen der Erwachsenen bis heute noch aufwärmt. In dieser Woche passt jedoch der Titel am besten für die umstrittene Entscheidung der 240 bulgarischen Abgeordneten, die sich ganz spontan vier Wochen Ferien verschrieben haben. Der Grund – die am 6. November bevorstehenden Präsidentschaftswahlen. Bis zum 9. November sollen lediglich die Parlamentsausschüsse weiter tagen, denn schließlich steht die Haushaltsdebatte vor der Tür.
Gegen diese Entscheidung lief die Opposition Sturm. Verständlich – schließlich waren die Sozialisten gerade dabei, einen Misstrauensantrag gegen die konservative Regierung ins Parlament einzubringen. Mit dem Fauxpas in den Vereinten Nationen stehe die bulgarische Außenpolitik auf wackeligen Füßen, was das Kabinett, und höchstpersönlich Ministerpräsident Borissow, zu verantworten hätten. Gemeint ist die Nominierung einer zweiten Kandidatin aus Bulgarien für den Posten des nächsten UN-Generalsekretärs, was völlig daneben ging. Sie erinnern sich: die eigentliche bulgarische Kandidatin, die UNESCO-Chefin und Sozialistin Irina Bokova, präsentierte sich trotz der entzogenen Unterstützung der Regierung in Sofia bei der entscheidenden Abstimmung in New York deutlich besser, als die nachnominierte konservative EU-Kommissarin Kristalina Georgieva. Für die oppositionellen Sozialisten in Bulgarien komme dieser diplomatische Skandal schlicht und ergreifend einem diplomatischen Dilettantismus gleich, der Bulgarien um die einmalige Chance gebracht habe, die UNO anzuführen. Und just, als sich die Opposition auf harsche Kritik im Parlament vorbereitet hatte, zog ihr die Regierungsmehrheit einen Strich durch die Rechnung.
Es ist nicht unüblich, dass die Plenarsitzungen während eines Wahlkampfes ausgesetzt werden, um keinen Missbrauch für wahlkampfpolitische Zwecke vom Rednerpult aus zuzulassen. Solche Wahlferien waren auch von vornherein geplant, allerdings erst ab Ende Oktober. Doch, die Regierungspartei zeigte mit dem überraschenden Manöver, dass sie es mit der Angst zu tun bekommen hat. Darauf deutet die Schmähkritik hin, die die Nominierung der Regierungskandidatin für die Präsidentschaftswahlen verursacht hat. Als der Regierungs- und Parteichef die Parlamentspräsidentin Zezka Zatschewa die „Mutter der Nation“ nannte, ahnte er vermutlich nicht, welche Welle vernichtender Kommentare in den sozialen Netzwerken er damit verursachen würde. Selbst ernstzunehmende Wahlbeobachter rechnen der erfahrenen Juristin keinen eindeutigen Wahlsieg aus. Verständlich, dass die Regierungspartei kein Risiko im Wahlkampf eingehen will, dass in einer Parlamentsdebatte zum geplanten Misstrauensantrag unangenehme Kritik laut wird.
Verständlich ist aber auch, dass die unerwarteten Ferien der Parlamentarier nicht minder kritischer kommentiert werden. Schließlich genießt das Parlament das Vertrauen von deutlich weniger als zehn Prozent der Bulgaren. Mit der Entscheidung über die ausgedehnten Ferien bekleckern sich die 240 Volksvertreter nicht gerade mit Ruhm. Mehr noch – in der panischen Reaktion auf die hinterfragenden Journalisten, wie es zu diesen langen parlamentarischen Ferien kam und ob sie geplant waren, plauderte eine Abgeordnete der Regierungspartei aus dem Nähkästchen und gab zu, dass man mit dieser Entscheidung die Opposition während des Wahlkampfes zum Verstummen bringen wollte. Dazu muss man aber auch ganz klar sagen, dass die Opposition keinerlei Chance hat, den Misstrauensantrag durchzubringen, denn dazu fehlen ihr die notwendigen Stimmen. Und das wissen die Oppositionellen. Doch, die Sozialisten, die gespalten in die Präsidentschaftswahlen gehen, hätten nichts dagegen, die Parlamentstribüne für klare kritische Worte gegen den politischen Erzfeind zu nutzen. Wer weiß, vielleicht hätte das dem sozialistischen Kandidaten die eine oder andere zusätzliche Stimme am 6. November gebracht.
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