Der Journalist, Forscher und Historiker Georgi Kulow stellte jüngst sein neuestes Buch vor, das mit „Menschen der Wahrheit“ betitelt ist. Es erzählt über eine moslemische Religionsgemeinschaft – die Aleviten, die in den Rhodopen im Süden Bulgariens lebt.
Nur wenige Bulgaren wissen etwas über die Aleviten, was ein guter Beweis ist, dass man hierzulande nur wenig mit der Geschichte, der Kultur und den Traditionen religiöser Minderheiten vertraut ist. Die Aleviten, die man in Bulgarien auch als Alianen oder Kazalbaschen bezeichnet, leben bereits seit Jahrhunderten in Abgeschiedenheit. Ihre Religion gilt als mystisch und geheimnisvoll. Das hat auch seinen Grund. Sie gehen nicht in Moscheen und moslemische Schulen. Die Aleviten sind Anhänger des Schwiegersohns des Propheten Mohammed, Alī ibn Abī Tālib, der eine der zentralen Figuren im Islam ist und verehren die Gräber seiner Nachfolger, die ihnen heilig sind. In ihren religiösen Anschauungen stehen sie den Schiiten nahe, unterscheiden sich aber grundlegend von den Sunniten. Für sie sind Mann und Frau gleichgestellt und entsprechend beteiligen sich die Frauen an den religiösen Ritualen.
Die Aleviten lassen sich von der Liebe und der Achtung gegenüber den anderen Menschen, unabhängig ihrer religiösen und ethnischen Zugehörigkeit, leiten. Und so werden zu ihren religiösen Festen auch andersgläubige und andersstämmige Menschen geladen. Bescheidenheit und Armut gelten als Tugenden; in ihren Augen besitzt die Arbeit einen hohen Stellenwert; Machtgier, Alkohol und Ehebruch sind ihnen fremd; Gleichheit und Freiheit sind in ihrer Geisteswelt tief verwurzelt. Sie bezeichnen sich als „Menschen der Wahrheit“ und so hat auch Georgi Kulow sein Buch über die Aleviten überschrieben. Er erzählt über ihre historischen Wurzeln, ihre Kulturtraditionen, ihr religiöses Leben.
„Die Ethnien in den Ost-Rhodopen, ihre Beziehungen untereinander und zu der bulgarischen Mehrheit sind stets aktuelle Themen“, versichert Georgi Kulow. „Bereits vor etlichen Jahren haben die Aleviten, die eine äußerst geschlossene Gemeinschaft sind, mein Interesse geweckt. Zudem wusste ich von der Geschichte her, dass sich in all den Jahrhunderten osmanischer Herrschaft in Bulgarien ihre Glaubensansichten der Macht entgegengestellt haben. Nun fand ich endlich Zeit, mich ihnen näher zu widmen. Bei meiner Arbeit haben mich viele Freunde unterstützt. Das Alevitentum ist eine der Strömungen im schiitischen Islam. Derzeit ist dieses Thema besonders aktuell, bedenkt man die Konflikte im Nahen Osten, vor allem in Syrien, wo der Staatspräsident Baschar al-Assad ein Vertreter einer der den Aleviten nahestehenden islamischen Strömungen ist. Im Kontext der allgemeinen Anfeindung des Islam steht man den Aleviten jedoch vorurteilsloser gegenüber. In Bulgarien sind sie voll in der Gesellschaft integriert und bekleiden zuweilen verschiedene hohe und einflussreiche Ämter, obgleich sie sich prinzipiell nicht hervortun. Sie stehen nicht im Brennpunkt des Medieninteresses und mit aus diesem Grund habe ich das Buch über sie geschrieben. Ein breiterer Leserkreis soll mit ihnen vertraut gemacht werden. Ich will zeigen, wie diese Menschen mittels ihrer Liebe zu Gott die Liebe zum Menschen, zum Nächsten entfachen.“
Dem Islam wird in der letzten Zeit negativ begegnet, sei es wegen der Terroranschläge oder der Flüchtlingswellen, die Europa überrollt haben. Das Buch „Menschen der Wahrheit“ hebt die prinzipiellen Unterschiede gegenüber dem radikalen Islam hervor, um kein Gleichheitszeichen zwischen ihm und den Aleviten zu setzen. Georgi Kulow beleuchtet ferner eine andere Frage, nämlich wie die Aleviten und die Sunniten, die sich in den anderen Ländern als Todfeinde gegenüberstehen, in den Rhodopn in Bulgarien friedlich zusammen leben können. Auch erklärt der Autor, warum selbst Christen und Moslems gemeinsam feiern und was sich hinter dem sogenannten „Soft-Islam auf Balkan-Art“ verbirgt.
Georgi Kulow gesteht, dass sein Buch ohne die Hilfe des zwischenzeitlich verstorbenen alevitischen Ältesten, Sadullah Hairullah Baba, wohl kaum das Licht der Welt erblickt hätte. Daher hat er es auch ihm gewidmet und nennt ihn den „unerschütterlichen Mann der Wahrheit“. Im Unterschied zu anderen Monographien über die Aleviten in Bulgarien, ist diese für das breite Publikum bestimmt und nicht einzig für Experten. Und so hat es nicht nur unter Wissenschaftlern Interesse geweckt. Bei der Präsentation des Buches waren ferner die Botschafter einiger Länder zugegen, in denen Gemeinschaften der Aleviten leben.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: Luisa Lazarova
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