Bis zu den Präsidentschaftswahlen in Bulgarien sind es noch wenige Monate, genauer gesagt – vier, aber drei davon sind von Urlaubsgedanken geprägt. Im Hochsommer wird wohl niemand ernsthaft erwarten, dass ein vernünftiger Wahlkampf geführt werden kann. Auf dem ersten Blick scheinen die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen kein sonderliches Interesse auch in den Parteizentralen zu wecken. Bisher stehen nämlich nur zwei Kandidaten fest – ein Apotheker aus Warna und ein ewiger Präsidentschaftskandidat, die wohl kaum den Ausgang des Votums irgendwie beeinflussen werden. Wer wird es aber tun?
„Stabile Instabilität“ oder „gefährliche Bodenströmung“– so bezeichnen viele Politikwissenschaftler in Bulgarien die derzeitige politische Lage. Welche euphemistischen Bezeichnungen man auch verwenden mag, offensichtlich sind Prozesse gemeint, die auf der Oberfläche nicht sofort erkennbar sind. Und die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen sind ein besonders aussagekräftiges Beispiel dafür. Nachdem die „Vorfreude“ traditionell früh angesetzt hatte – noch zu Jahresbeginn – sind seit langer Zeit keine Neuigkeiten mehr zum Thema zu vermelden. Die Regierungspartei GERB hat mehrmals die Neugier der Wähler und politischen Gegner gekitzelt, indem sie erklärte, ihren Kandidaten im Juni bekannt zu geben. Nun heißt es, vor Sommerende sei die Nominierung nicht zu erwarten. Und da die nicht gerade für ihre politische Weitsicht bekannten Parteien in Bulgarien diese Nominierung abwarten wollen, sehen sie alle aus, als würden sie ungewollt in der Lauerstellung ausharren.
Unterdessen gehen die Spekulationen in den Medien weiter. Aber auch die negativen Kommentare. Was für einen Wahlkampf darf man erwarten, und wie kann man von einer bewussten und überzeugten Wahl ausgehen, wenn die Wähler offensichtlich keine Chance haben werden, sich über die Kandidaten zu informieren? Die politische Elite setzt offenbar auf eine rein parteimotivierte Wahl im Herbst. Denn der letzte Test für sie war im vergangenen Herbst bei den Kommunalwahlen. Ein Jahr später ist es wohl Zeit, um die Unterstützung für Regierung und Opposition noch einmal aktuell zu messen. Diese Unterschätzung der Präsidentschaftswahlen liegt einem demokratischen Land gar nicht, auch wenn die größten Probleme Bulgariens bei weitem nicht im Feld des Staatschefs liegen. Obwohl die bulgarische Verfassung dem Staatsoberhaupt überwiegend protokollarische Vollmachten gibt, hat er einen großen Einfluss auf die Außen- und Sicherheitspolitik des Landes. Das ist gar nicht so wenig.
Das Versteckspiel, das die Parteizentralen derzeit spielen, versteckt allerdings ihre ideologische Krise nicht. Das wiederum lässt einen argumentierten Wahlkampf im Herbst nicht zu, auch wenn der Präsident überparteilich ist. Die allmächtige Regierungspartei GERB mag ja momentan keine politische Alternative haben, ihre unklare ideologische Identität bedeutet aber keinesfalls, dass ihr der Wahlsieg sicher ist. Die GERB setzte sich in der Tat als unangefochtene stärkste Partei durch und fühlt sich deshalb relativ komfortabel. Doch, wird der charismatische Parteichef und Ministerpräsident Borissow den Wahlsieg allein stemmen können?
Nicht wesentlich besser sieht es auch in den Reihen der Konservativen aus, die derzeit von dem ewig zerstrittenen Reformblock repräsentiert wird. Und im linken politischen Spektrum klafft nach wie vor eine große Identitätslücke. Die abgeschlagenen Sozialisten und ihre Splitterparteien können seit Jahren keine Garantie für soziale Gerechtigkeit bieten. Die Führungsambitionen der kleinen linken Formationen scheinen derzeit wichtiger zu sein, als die Ideen. Dabei fungieren sie im ärmsten EU-Land. Was für eine bessere Voraussetzung könnte man sich als linke Partei wünschen, um für die Rechte der arbeitenden Arme anzutreten? Stattdessen versinken die Sozialisten und ihre ehemaligen Parteigenossen in personellen Auseinandersetzungen und bangen zu Recht um den Ausgang der Präsidentschaftswahlen. Dabei wären sie ein guter Anlass, die Ideen im politischen Leben Bulgariens zu reanimieren.
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