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Zeitgedächtnis „Busludscha”

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Foto: Radoslaw Parwanow

Bulgarien besitzt eine reiche Geschichte und es gibt wohl kaum ein Fleckchen unseres Landes, an dem sich nicht etliche schicksalhafte Ereignisse zugetragen haben. Einige sind in Vergessenheit geraten, anderen wiederum hat man Denkmäler errichtet.

Foto: Les JohnstoneEin solcher Ort ist die Gegend um den Gipfel „Hadschi Dimitar“, mitten im Balkangebirge. Der alte Name dieser Bergspitze heißt „Busludscha“. Der Boden ist getränkt mit dem Blut der Freischärler, die im Kampf um die Befreiung Bulgariens unter Führung von Hadschi Dimitar den Heldentod starben. Man schrieb das Jahr 1868. Einige Jahrzehnte später, 1891, fand auf den gleichen Wiesen unterhalb des Gipfels der Gründungsparteitag der Bulgarischen Sozialdemokratischen Partei statt, aus der später die kommunistische Partei hervorging. 90 Jahre danach setzte sich diese Partei ein Denkmal, das jedoch keine zehn Jahre später seinen Glanz einbüßte, denn es kam zum Sturz der Kommunisten und zur Wende zur Demokratie. Heute ist es ein Geisterdenkmal, dem die Erosion und menschlicher Vandalismus arg zugesetzt haben. 

Dora Iwanowa ist eine junge Architektin, die in Deutschland studiert hat und davon überzeugt ist, dass die Geschichte bewältigt und das Denkmal zu neuem Leben erweckt werden könne. In ihrer Diplomarbeit entwirft sie ein Projekt zur Transformation des Busludscha-Denkmals.

„Im Internet bin ich zufällig auf Fotos vom Busludscha-Denkmal gestoßen“, erzählte sie uns. „Sie provozierten mich und forderten mich als Architektin heraus. Ich begann das Denkmal mit anderen Augen zu betrachten; die Ideologie wurde für mich unwichtig – ich sah es als eine Architekturperle, eine Spitzenleistung der bulgarischen Ingenieurkunst.“

Dora begann sich für die Geschichte der Errichtung des Denkmals zu interessieren:

„Das Gebäude entstand unter den Händen von 6.000 Menschen; 15 Jahre lang hat man an den Plänen gearbeitet und 8 Jahre lang gebaut – Tag und Nacht im 3-Schichtbetrieb. Und dann existierte das Denkmal als solches lediglich acht Jahre, dabei haben die besten bulgarischen Architekten, Ingenieure und Künstler daran gearbeitet. Ihre Leistung ist beeindruckend. Um das Denkmal zu errichten mussten erst einmal 8 Meter der Bergspitze abgearbeitet werden. 70.000 Tonnen Beton wurden gegossen; die Stahlkonstruktion wiegt 40.000 Tonnen. Aus architektonischer und gestalterischer Sicht ist das Bauwerk eine Glanzleistung im Weltmaßstab“, ist die junge Architektin überzeugt.

Foto: Les JohnstoneHeute ist das Denkmal, ein Werk des Architekten Georgi Stoilow, seinem Schicksal überlassen. Sein verwahrloster Zustand hindert die Menschen jedoch nicht daran, es weiterhin zu besuchen. Es ist zu einer Attraktion, wenn auch schauerlichen, geworden. Die Touristikwebsite „TripAdvisor“ führt es sogar als eines der Top 10 Wahrzeichen Bulgariens und schreibt: „Ein wirklich imposantes Bauwerk. Ein Abstecher hierher sollte man tun. Muss man gesehen haben. Unglaublich was hier auf dem Berg entstanden ist. Schade ist nur, dass dieses Bauwerk so verkommen und marode ist.“

Und tatsächlich kommen vor allem viele Ausländer. Selbst Experten äußern sich positiv über das Bauwerk und wundern sich, warum es in diesem Zustand belassen wird. Ist es vielleicht Angst vor der Vergangenheit?  

Foto: Nicola Miller„Das Problem mit den Denkmälern aus sozialistischer Zeit besteht darin, dass man sie politisiert und mit dieser Periode identifiziert“, sagt Dora Iwanowa. „Diese Denkmäler sind jedoch Zeitzeugnisse, die man überdenken muss. In Bulgarien werden die Dinge viel zu sehr politisiert und das widert die Menschen an, die sich dann dazu lieber nicht äußern wollen. Die leichteste Entscheidung in diesem Fall ist die Gleichgültigkeit.“

Das Projekt, das die Architektin vorschlägt ist provokativ – das Denkmal soll in ein Denkmal der gesamten Geschichte Bulgariens verwandelt werden, die interaktiv zur Verfügung gestellt werden soll.

Foto: Les Johnstone

Foto: Radoslaw Parwanow„Das Herzstück des Gebäudes ist der Festsaal, der mit geringstem Aufwand in einen multifunktionalen Saal für Konzerte, Ausstellungen und Debatten verwandelt werden kann. In ihm können 400 Menschen Platz haben. Die dekorativen Mosaiken sind in einem sehr guten Zustand. Sie zeigen die Welt des Sozialismus und sollten so belassen werden. Von dort führt ein dunkler Korridor, der die Zeit der osmanischen Fremdherrschaft verdeutlicht. Das Gefühl über jene Zeit wird von seiner Länge und der Beengtheit verstärkt. In den Vorräumen zum sphärischen Baukörper, deren Fenster einen herrlichen Ausblick gewähren, kann die Zeit des bulgarischen Mittelalters mit ihren großen Siegen dargestellt werden. Das Werk der bedeutendsten bulgarischen Herrscher steht mit der Großartigkeit der Landschaft im Gleichklang. Von dort gelangt der Besucher in die Kellerräume, in denen die Geschichte der Thraker, Urbulgaren und Slawen vorgestellt werden kann. Ein Panoramafahrstuhl führt in den 70 Meter hohen Turm, an dem die Namen aller bulgarischen Herrscher angebracht sind. Es geht vorbei an dem fünfzackigen Stern, der als Symbol des Sozialismus unverändert belassen wird; seine Verglasung ist geborsten, wie das Regime selbst. Ganz oben gibt es zwei Räume – ein geschlossener und ein offener. Der geschlossene Raum wird um eine verglaste Plattform erweitert, die man betreten kann. Sie symbolisiert die Wende, mit all der Angst und Unsicherheit, die damals herrschte. Oben schließt das Bauwerk mit einer Terrasse ab, von der man einen Rundblick hat – das führt den Besucher wieder in die Gegenwart mit der realen Natur und den realen Dimensionen Bulgariens.“

Das Projekt von Architektin Dora Iwanowa zur Umgestaltung des Busludscha-Denkmals würde etwas mehr als eine Million Euro kosten. Der Bau des Denkmals selbst hat damals mehr als das Zehnfache gekostet, die Inflation mit eingerechtet – das Hundertfache. Nach ihrer Neugestaltung könnte die Anlage mit den Einnahmen aus Eintritts- und Nutzungsgebühren unterhalten werden. Zudem könnte die Region popularisiert und Arbeitsplätze eröffnet werden. „In Busludscha sehe ich eine notwendige Investition in den Tourismus, aber auch in die Geschichte und die Heilung der nationalen Zwangsvorstellungen“, sagte abschließend die Architektin Dora Iwanowa.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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