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Gewalt führt die Kuh nicht in den Stall

Foto: BGNES

Bulgarien führt die Wahlpflicht ein. Die ganze Geschichte begann Anfang 2014, als der Präsident die Wahlpflicht als ein Allheilmittel gegen den Stimmenkauf sah. Nun, das mag ja auch so sein – in der Tat ist zu erwarten, dass bei mehr Wählerstimmen die gekauften an Gewicht verlieren. Doch, löst die Wahlpflicht das eigentliche Problem der heimischen (Fassaden)Demokratie? Ist die Wahlpflicht die Antwort auf die große Frage, was ist eine demokratische Gesellschaftsordnung und welchen Part hat jeder von uns zu übernehmen? Wenn eine bestimmte Partei vor Wahlen auf Stimmenkauf geht, dann gibt es ja auch jemand, der Stimmen verkauft. Dieser Bazarhandel hat mit Demokratie nichts zu tun. Gegen die Politik zu meckern, aber nicht wählen zu gehen, bewegt sich auch nur neben den Prinzipien für den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft.

Oft wird Winston Churchill zitiert: „Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.“ In Bulgarien könnte man hinzufügen, dass die plötzliche Wende zur Demokratie von einem Irrtum begleitet war, dass wir von heute auf morgen in einem freien, reichen und sicheren Rechtstaat leben werden. Niemand hatte uns gewarnt, dass die demokratischen Werte tagtäglich zu pflegen sind, und zwar sowohl von der Politik, als auch von den Bürgern. Die Bürger schließen einen Gesellschaftsvertrag ab, der alle vier Jahre abgestempelt wird. Nichtwählen bedeutet, dass man auf diesen Vertrag freiwillig verzichtet. Mehr noch – diesen Vertrag stempeln nur jene für alle ab, die zur Wahlurne gehen. Oftmals stellt es sich heraus, dass wir von einer parlamentarischen Mehrheit und einer Regierung regiert werden, die von einem Drittel des einen Drittels der Wahlberechtigten gewählt worden sind. Das ist genauso wenig demokratisch, wie auch die Wahlpflicht. Die freie Wahl ist vor allem eine bürgerliche Pflicht, die kein Gegenstand eines Gesetzes sein darf. Auf einem ganz anderen Blatt steht geschrieben, warum immer weniger Wahlberechtigten zur Urne gehen.

Hinter der Wahlpflicht verstecken die Politiker ihre eigene Unfähigkeit, die Bürger mit Ideen zu begeistern. Im Zuge der Diskussionen pro und contra der Wahlpflicht wurden große Argumente formuliert, das eigentliche Ziel des neuen Wahlgesetzes sei der Wandel im politischen System Bulgariens. Das politische System besteht aus vielen kleineren Systemen: Parteien, Institutionen, Justiz, Verwaltung usw. Kein einziges dieser Systeme ist nach der Wende angesprungen. Die Debatte über die Ursachen ist schwierig und tief, und es sieht nicht danach aus, dass man sie in Bulgarien führen möchte. Die Hochnäsigkeit und Demagogie der politischen Klasse widern die Menschen an, und die Wahlpflicht wird sie wohl kaum dazu bringen, ihre Stimme abzugeben. Vor 1989 gab es in Bulgarien Wahlpflicht. Die Wahlbeteiligung lag bei 99%, der Staats- und Parteichef wurde mit 99,9% gewählt. Das wird wohl kaum das Ziel der jetzt eingeführten Wahlpflicht sein.

Es sieht ganz danach aus, dass man in Bulgarien wieder nicht das Problem bekämpft, sondern seine Folgen. Die Wahlpflicht wird vermutlich den Stimmenkauf weniger bedeutend für den Wahlausgang machen, aber was tun wir, um den Stimmenkauf aus der Welt zu schaffen?



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