Man lernt die Dinge erst zu schätzen, wenn man sie verliert. Da macht das subjektive Gefühl von Sicherheit keine Ausnahme. Und dieses Gefühl haben die Europäer spätestens seit den Selbstmordattentaten in Paris und Brüssel größtenteils verloren. Es sieht danach aus, dass die Bomben auch die bürokratische Maschinerie der EU wachgerüttelt haben. Denn nun will die EU eine neue Strategie für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ausarbeiten. Beobachter nicht nur in Bulgarien befürchten aber, dass es sich um das nächste trockene Papier handelt, das die Ängste der Europäer nicht abschaffen wird.
Die Ermittlungen nach den Anschlägen von Paris und Brüssel haben verdeutlicht, wie wenig die Sicherheitsbehörden in der EU zusammenarbeiten. Es wird erschreckend wenig Information ausgetauscht. Und die Vorratsdatenspeicherung dient offensichtlich nur als … Vorratsdatenspeicherung, ohne ausgewertet zu werden. Verständlich, dass die Geheimdienste geheim arbeiten wollen, aber die Welt hat sich verändert und die EU ist gefordert, sich noch weiter zu integrieren, wenn sie bestehen und als Global Player auftreten will. Die Integration bezieht sich auch auf die Geheimdienste.
Doch, selbst in Bulgarien, das als ein ausgesprochen EU-freundliches Land durchgeht, wachsen die Zweifel an die Fähigkeit der EU, der Außenwelt mit einer Stimme zu sprechen. Das neue Papier, das die EU-Außenbeauftragte Mogherini noch im Juni beim Gipfel verabschiedet sehen will, wird wohl kaum die Antworten liefern, die sich die europäischen Bürger wünschen. Selbst im EU-freundlichen Bulgarien spricht man mittlerweile laut aus, dass das weitere Bestehen der EU vor einer Probe gestellt ist. Dazu trägt sicherlich auch die Zerwürfnis über die Flüchtlingswelle bei. Immer mehr Alleingänge und immer mehr Grenzzäune spalten die Union. Zweifel kommen auch auf, wenn es um den grenzkontrollfreien Reiseverkehr geht. Zwar sind die Bulgaren beleidigt, dass das Land trotz erfüllter Kriterien immer noch nicht zum Schengen-Raum gehört, wünschen es aber nicht mehr so innigst, wie vor etwa 3-4 Jahren.
In Sofia und in anderen EU-Ländern, wie erst dieser Tage in den Niederlanden, kommen immer mehr Stimmen auf, die ein neues Führungsmodell in der EU fordern. Das vereinte Europa ist ein Projekt des liberalen Gedanken. Die heutige politische Elite auf dem Alten Kontinent ist ein Produkt der Freiheitsbewegung der ´68er Generation. Mehr noch – Europa hat seinen Liberalismus in die Welt exportiert, einschließlich in die arabische Welt. Unsere Werte sind aber dort nicht herzlich aufgenommen worden, wie wir aus der Distanz der Zeit deutlich sehen können. Statt den Freiheitsgedanken ans Herz zu schließen, erlebt das Kalifat im Nahen Osten eine Renaissance. Europa hat in der Tat den Nationalismus überwunden, der zu den vernichtenden Weltkriegen geführt hatte. Doch, heute erstarken die Nationalisten wieder, denn unsere Sicherheit steht auf dem Spiel.
Ob sie durch eine „globale Strategie“ der Europäischen Union garantiert werden kann? Wohl kaum. Die EU-Spitze muss politische Alternativen gegen den wachsenden Einfluss von EU-Skeptikern, Populisten und Nationalisten bringen. Dass sie immer mehr Wählerinnen und Wähler ansprechen, mag logisch sein, ist aber konterproduktiv. Die Abschottung in den eigenen engen nationalen Grenzen bekämpft die Folgen des subjektiven Gefühls von bedrohter Sicherheit. Nicht den Ursprung. So gesehen erinnern die Nigel Farages, Viktor Orbans und Frauke Petrys an die Maschinenstürmer des 19. Jahrhunderts. Der Maschinensturm hat die industrielle Revolution aber nicht verhindert.
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