„Wie alle ernsten Dinge, fing auch bei mir alles ganz zufällig an. Als ich klein war, schloss mich mein Vater oft zuhause ein. Was sollte ich machen? Es gab noch keine Computer, keinen Fernseher – also begann ich zu malen“, erzählte uns gleich zu Beginn unseres Gesprächs der heute 60jährige Maler Petar Mitschew.
„Ich kann sie nicht einschätzen“, antwortet er auf die Frage, wie er seine Kunst bewertet. „Mein Vater sagte zu mir: „Mal noch dieses Jahr, das nächste fängst du dann etwas Richtiges an“. Und jedes Jahr war das letzte Jahr, in dem ich malte und ich bin nicht dazugekommen, mir ernsthaft vorzunehmen, irgendeinen eigenen Stil auszuarbeiten. Die anderen meinen, dass ich einen hätte, doch das überlasse ich den Kunstexperten.“
Man braucht nicht unbedingt ein Kunstexperte zu sein, um zu sehen, dass sich die Bilder von Petar Mitschew von den anderen abheben. Sie strahlen Harmonie, Gegenseitigkeit, Zufriedenheit und Ruhe aus. Hat diese Harmonie aber einen Platz in der realen Welt?
„Natürlich“, sagt Mitschew sofort. „Es ist eine Harmonie, die den Fehlern, die ich im Leben gemacht habe, entsprungen ist. Ich bin halt ein Sünder, der sich bemüht, besser zu werden. Die Absicht allein genügt aber nicht – man muss schon etwas dafür tun. Ich meinerseits male Bilder, die positive Emotionen bei den Menschen verursachen, die sie brauchen. Ein Freund von mir, ein französischer Theaterregisseur, sagte einmal: „Du bist kein Maler, sondern ein Heiler der verletzten und gefühllosen menschlichen Seelen.“
Wie geht das aber eigentlich? „Ich weiß nicht, wie ich das erreiche! Mein Leben unterscheidet sich von dem der anderen Menschen kaum. Sie beispielsweise gehen morgens zum Rundfunk, ich hingegen ins Atelier – das ist der Unterschied. Erst am Arbeitsplatz geschieht diese Magie. Bevor ich anfange zu malen, mache ich keine Skizzen. Das, was ich schaffen will, muss ich in der weißen Leinwand erkennen. Andernfalls beginne ich erst gar nicht!“
Im Mittelpunkt der schöpferischen Suche von Petar Mitschew steht die Frau. Er sieht sie jeweils in anderen Rollen: als Verführerin, als bessere Hälfte, als Mutter. Mitschew gestand uns, dass alles auf der Liebe fußt. Reicht sie allein aber wirklich aus?
„Die Weisen haben gesagt: Liebe und Kunst kann man nicht lernen – sie werden einem gegeben, man nimmt sie und gibt sie weiter“, sagt uns der Maler. „Die wohl bedeutendste bulgarische Schlagersängerin Lili Iwanowa gab einmal in einem Interview zu: „Wenn ich aufhöre zu lieben, werde ich aufhören zu leben“. Das Gleiche gilt auch für mich und viele andere Kunstschöpfer. Man stelle sich nur mal vor – ein Dichter, der sich nicht verliebt! Er würde sofort aufhören, Gedichte zu schreiben. Der Poet dichtet, weil er sich verliebt.“
Die schöpferische Arbeit besteht jedoch nicht einzig aus Liebe! Sie ist doch auch ein Ausdruck der Freiheit. Sind wir heute freier in der Kunst, als wir es früher, vor der Wende zur Demokratie waren?
„Nein, würde ich sagen“, meint Petar Mitschew. „Früher förderte der Staat die Beschäftigung mit der Kunst – Theater, Musik, bildende Künste... Uns Malern wurde jährlich eine Ausstellung auf regionaler oder nationaler Ebene ermöglicht. Wenn ich das jetzt so sage, dann darf das nicht als Nostalgie nach der alten Zeit aufgefasst werden. Man muss sich das verinnerlichen: man arbeitete ein ganzes Jahr, um an einer solchen Ausstellung teilnehmen zu können und dann kaufte der Staat ein Bild auf. Natürlich konnte man davon nicht leben, aber man wurde stimuliert – man malte 50 oder 100 Bilder, suchte das Beste aus, das dann in Konkurrenz mit den anderen Malern treten konnte. Und dann gab es nur einen Gewinner. Jetzt passiert es gerade umgekehrt: In Sofia gibt es etwa 20 bis 30 Maler, die denken, dass sie über allem stehen. Keiner hat aber von ihnen etwas gehört. Sie stellen nirgendwo aus; sie haben sich selbst zur „Crème de la Crème“ ernannt.“
Sind die Bulgaren in der Lage, die begabten Menschen unter sich zu entdecken und zu achten?
„Das ist eine sehr spezielle Frage“, meint Petar Mitschew. „Jene, die die Talente erkennen und zu schätzen wissen, können es sich oft nicht leisten, eines ihrer Bilder zu kaufen. Sie stehen meist auch nicht in einem ständigen Dialog mit der Kunst. Jene wiederum, die das nötige Geld haben, wissen nicht die Kunst zu schätzen. Die Reichen lesen keine Bücher. Und wenn man keine Bücher gelesen hat, dann fragt man zwangsläufig: „Was ist das, Kunst?“
Woran arbeitet derzeit Petar Mitschew? „Seit Jahren arbeite ich an verschiedenen Zyklen“, sagt der Maler. „Die Ostereier sind ein Thema, dass in Bulgarien nur selten in der Kunst aufgegriffen wird. Bereits vor Jahren war ich zufällig darauf gestoßen und versuchte, etwas daraus zu machen. Ich gestaltete komplizierte Kompositionen zu den Ostereierritualen, die auf großes Interesse stießen und sogar als Grußkartenmotive erschienen. Man fragte einmal meine Mutter, die damals noch lebte, wann ihr Sohn gestorben sei? Sie antwortete verärgert: „Er ist nicht tot; wieso kommen sie darauf?“ „Na ja, weil ja Postkarten mit Bildern von ihm drauf in den Geschäften verkauft werden“, war die Antwort. Damals wurden auf diese Weise lediglich Werke bereits verstorbener Künstler popularisiert. Das mit meinen Osterkarten war schon lustig. Und heute arbeite ich wieder an diesem Thema. Ich befasse mich auch nach wie vor mit den Themen Liebe und Träume. Wenn man keine Träume hat, hat man auch keine Zukunft“, sagt der Maler Petar Mitschew.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: Privatarchiv
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