Unlängst nahm er bei uns im Hause einige Lieder seiner Heimatregion auf; alle ohne Instrumentalbegleitung. Sie sind vor allem wegen ihrer authentischen Klangweise wahre Perlen.
Petko Nantschew entstammt einer Musikerfamilie. Er trägt den Namen seines Großvaters, dem nachgesagt wird, dass er der beste Hirtenflötenspieler der Strandscha-Region gewesen sei. Nantschew selbst erinnert sich an die erste Ausgabe des Volksfestes „Strandscha singt“, die 1960 in seinem Geburtsdorf Gramatikowo veranstaltet wurde. Er war keine 10 Jahre alt und war damit der jüngste Teilnehmer. Gleich sein erster Auftritt war ein Erfolg, der nicht der einzige bleiben sollte. Seine Liedinterpretationen sind nicht nur authentisch – sie klingen überzeugend, weil er weiß, woher die Lieder stammen und zu welchen Anlässen sie gesungen wurden.
„Die Lieder und Bräuche der Strandscha-Region sind sehr alt und stammen noch von den antiken Thrakern“, ist Petko Nantschew überzeugt. „Durch unsere Breiten sind viele Volker gezogen, doch die Kultur der Einheimischen hat sich kaum verändert. Selbst nach der Annahme des Christentums Mitte des 9. Jahrhunderts haben sich viele heidnische Bräuche erhalten. Nehmen wir zum Beispiel die Feuertänzer, die wiederum am 24. Juni, dem Tag Johannes des Täufers, in der Glut ihre Rituale vollführen. Einst wurde in der Strandscha stets gesungen – das Leben wurde von der Geburt bis zum Tod von Liedern begleitet. Gesungen wurde zu den verschiedensten Anlässen - bei der Arbeit und auch an Festtagen.“
Die Strandscha ist ein Gebirge, das ideal für Wanderungen ist – es stellt keine hohen Ansprüche und man braucht kein Bergsteiger zu sein, um es aus nächster Nähe bewundern zu können. Es liegt aber etwas abseits und ist deshalb so gut wie unbekannt und entsprechend ranken sich die verschiedensten Mythen und Legenden um dieses Gebirge.
„Mehr als 40 Jahre habe ich in der Abteilung für Forstwirtschaft gearbeitet“, erzählt weiter der Sänger. „Vordem war ich die meiste Zeit mit meinem Großvater zusammen, der ein kleines Gut am Weleka-Fluss besaß. Die Gegend dort ist berauschend schön – die Flora ist äußerst reich. Im Strandscha-Gebirge gedeihen mehr als 35 Arten immergrüner Pflanzen – einige davon stammen noch aus dem Tertiär von vor der letzten Eiszeit in Europa. Darunter ist der Pontische Rhododendron, der zum Symbol des Gebirges gewählt wurde. Die üppige Natur zieht viele Touristen an. Aber auch die alten Kirchen sind sehr interessant. Nehmen wir beispielsweise die Lukas-Kirche, die vor über 300 Jahren gebaut worden ist. Sie steht im Nachbardorf von Gramatikowo. Diese Kirche ist zur Hälfte in der Erde eingegraben, denn die Bestimmungen des damaligen Osmanischen Reiches verlangten, dass sich die Kirchenbauten nicht von den umliegenden Häusern unterscheiden sollten – sie mussten unansehnlich sein, also gingen unsere Vorfahren in die Tiefe, damit das Gotteshaus wenigstens im Inneren ansprechend gestaltet werden konnte. Bemerkenswert sind auch die thrakischen Heiligtümer. Am meisten wird „Endipaska“ besucht, wo am Fuße dieses Felsheiligtums eine heilbringende Quelle entspringt. Es gibt aber auch sehr viele Natursehenswürdigkeiten, wie beispielsweise der Wasserfall beim Dorf Stoilowo. Die Gegend „Wlachow Dol“ in der Nähe von Gramatikowo gilt wiederum als die Heimstatt der Feuertänzer. Am letzten Sonntag im Mai kommen dort die Feuertänzer aus den Dörfern Gramatikowo, Sliwarowo, Bulgari, Kondolowo und Kostí zusammen, um die archaischen Rituale des Feuertanzes zu pflegen. Alle fühlen wir uns irgendwie verbunden – die Gegend lädt uns auf, ich kann mir ein Leben fern des Strandscha-Gebirges nicht vorstellen – seine Lieder und Bräuche sind mein Leben.“
Petko Nantschew ist der Ansicht, dass die Traditionen an die nächsten Generationen weitergegeben werden müssen. Sie müssen bewahrt und gepflegt werden, denn sie sind ein Reichtum, ist der Sänger überzeugt. Bei Treffen mit Nachwuchsinterpreten sei er stets bemüht, die Lieder in ihrer authentischen Form weiterzugeben.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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