Die Human Resources, dieser schreckliche Begriff Brüsseler Bürokratie, der den Namen zahlreicher EU-finanzierter Projekte in Bulgarien gegeben hat, werden sich als das größte Problem des Landes erweisen. Etwas verständlicher hatten sich zwei Ministerpräsidenten Bulgariens darüber geäußert. Dem sonst scheuen Adligen Simeon von Sachsen Coburg und Gotha rutschte bei einem Interview während seiner Amtszeit als Regierungschef aus, den Bulgaren müsste man den Chip auswechseln, sprich die Denkweise. Und bei einem Treffen mit Bulgaren, die in den USA leben, formulierte es der damalige und jetzige Ministerpräsident Bojko Borissow in seiner typischen umgangssprachlichen Redensart noch krasser: „Die Reformen kommen nicht voran, weil das Ausgangsmaterial schlecht ist.“ Beide werden wohl Recht behalten.
Anfang dieser Woche bestätigte der Regierungschef erneut, dass Bulgarien die eingeleitete Justizreform zu Ende führen werde. Und da wir über die Justizreform seit über 20 Jahren reden, sollte man sich genauer anschauen, wer sie denn umsetzen soll. Denn das Papier, das das Parlament verabschiedet, ist nur die eine Seite dieser so heiß diskutierten Reform. Ihre wesentliche Seite ist aber ihre Umsetzung. Und da sind Richter, Staatsanwälte und Ermittler die Haupthelden.
In dieser Woche veröffentlichte der Rechnungshof die Ergebnisse seiner Prüfung über die Eigentumsverhältnisse und Einkommen von hochrangigen Personen des öffentlichen Lebens. Die Liste enthält 278 Fälle von nicht deklarierten Einkommen und/oder Immobilien von hochrangigen Staatsbediensteten. Die Richter, Staatsanwälte und Ermittler machen rund 40 Prozent aus. Es leuchten die Namen von Gerichtsvorsitzenden, die es versäumt haben, Einkommen in Höhe von 10.000 bis 40.000 Euro anzugeben. Im ärmsten EU-Land Bulgarien, wo das monatliche Durchschnittsgehalt gerade mal 400 Euro beträgt, sind das kolossale Summen, die binnen eines Jahres angehäuft werden konnten. Das Gehalt eines Vorsitzenden eines bulgarischen Gerichts liegt bei rund 2000 Euro im Monat. Wie lange muss man einem Gericht vorstehen, um 45.000 Euro bei Seite schaffen zu können, die ja nur ein Teil der Einkommen sind? Nämlich jener Teil, den man aus Versehen vergessen hat, dem Rechnungshof mitzuteilen. Es liegt nahe, zu denken, dass diese unter den Teppich gekehrte Summe aus nicht gerade legalen Einkommensquellen stammt.
Menschen mit solchen zweifelhaften Einkommen (und Moral) sollen Bulgarien aus der beschämenden Beobachtung aus Brüssel herausholen, die auch neun Jahre nach dem EU-Beitritt noch andauert. Die Bedingung dafür ist der Abschluss der Reformen in der Justiz, um eine effektive Korruptionsbekämpfung zu ermöglichen. Doch, die bulgarische Justiz ist seit den 1990er Jahren in der Hand von einer Elite, die die Zügel sehr fest hält, vom Status quo profitiert und um nichts in der Welt darauf verzichten will. Kein Wunder – die Justiz ist nämlich jener öffentlicher Bereich im postkommunistischen Bulgarien, der sich am mühsamsten demokratisiert und bis zur Wende am meisten verkümmert war. Der Generationswechsel, der den Willen in der Justiz selbst aufkommen lassen soll, auch gegen die einflussreichen Oligarchen vorzugehen, geht aber nur langsam und sehr mühsam voran. Genauso langsam und mühsam wird auch die angeblich so heiß begehrte Justizreform vorangehen.
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