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Animator Nikolay Todorov: „Die Freiheit ist eine Daseinsweise“

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Nikolay Todorov neben seiner Karikatur des bulgarischen Premiers Bojko Borissow
Foto: Privat

„In Bulgarien steht die Ehrbarkeit nicht hoch in Ehren und es tut sich nichts – dafür suchen wir aber die Schuld stets bei den Anderen.“ Dieser Ansicht ist der bulgarische Animator Nikolay Todorov. Er wurde 1952 in Sofia geboren, lernte am Sofioter Kunstgymnasium und studierte danach Animationskino in der damaligen Sowjetunion. In Sofia arbeitete er als Regisseur, Maler und Drehbuchautor, aber auch für das ZDF in Deutschland. In seiner Laufbahn als Animator hat er über 90 Animationsfilme geschaffen. Sein Streifen „Größenwahn“ wurde auf dem internationalen Kinofestival in Cannes für einen Preis nominiert. Auf dem Kinofestival in Hiroshima wurde sein Film „Odyssee“ zu den zehn weltbesten Animationsfilmen der Gegenwart gezählt. Bereits in den Zeiten des Sozialismus wurden Werke von ihm vom Museum für zeitgenössische Kunst in New York erworben. Todorov war Juror verschiedener Festivals für Animationskino, darunter in Annecy, Cannes, Ottawa, Hiroshima, Moskau, Zagreb, Krakau und Berlin.

Wie Nikolay Todorov selbst sagt, ist er schon von Kindesbeinen an in den Zeichentrickfilm verliebt gewesen. Es tut ihm bis heute Leid, dass damals hinter dem Eisernen Vorhang nur wenig von großen westlichen Studios, wie „Disney“ gezeigt wurde. Dafür besaß man aber ein stark entwickeltes Kinonetz – in ganz Bulgarien gab es insgesamt 3 bis 4.000 Kinos. Heute seien es lediglich 30 oder 40. Das Internet habe sich dafür breit gemacht, klagt Todorov.

Diese Strauchdiebe haben alle Vertriebsrechte an sich gerissen und ohne groß zu fragen alles einkassiert, was sich Kultur nennt“, empört sich der Animator. „Von wegen Autorenrechte! Alles kann man im Internet finden. Während in Westeuropa die Erziehung den Menschen am Diebstahl hindert, wird in den ehemaligen sozialistischen Ländern geklaut was das Zeug hält und auf dem Markt verhökert. Unsere Zeit ist ideal für jene, die Interessen haben; um aber Interessen zu haben, muss man gebildet sein; und gebildet wird man nur dann, wenn man liest. Alle klauen, auch die ganz oben. Sie klauen Geld und wissen nichts damit anzufangen, ganz einfach weil sie gierig sind. Der einfältige Mensch ist gierig. Der weiß ja nicht einmal, was er mit dem Geklauten anfangen soll!

Todorovs Karikatur von Bojko Borissow mit Wladimir Putin und Barack Obama

Selbstkarikatur von Nikolay TodorovNikolay Todorov ist ein Künstler, der in zwei grundverschiedenen Epochen – dem Kommunismus und der Demokratie, gearbeitet hat. Wir fragten ihn, in welcher von beiden die Künstler freier waren und wo die Grenzen der Freiheit sind.

Die Freiheit ist eine Daseinsweise – man braucht sie zum Atmen“, ist der Animator überzeugt. „Keiner kann dich zwingen, etwas gegen den eigenen Willen zu tun. Ich meine damit nicht einzig das Gebiet der Kunst. Was die Kunst selbst anbelangt, wurde schon seit langem die Meinung geäußert, dass sich nur jene damit beschäftigen sollten, die entweder ganz reich, oder ganz arm sind. Wenn man mit einem fetten Geldbeutel an die Kunst herangeht, wird man sicher Geld machen, aber eben keine Kunst. Weil Kunst ein Geisteszustand, eine ganz andere Dimension ist. Nicht zufällig hat Christus die Händler und Wechsler aus dem Tempel verjagt. Was soll man aber machen, angesichts der Tatsache, dass derzeit von den Leuten in Bulgarien 90 oder sogar 99 Prozent Zwischenhändler sind. Keiner stellt etwas her! Wenn jemand Kunst schaffen will, dann ist er frei dies zu tun. Was haben wir in den Zeiten des Sozialismus nicht alles getan, um an ein ersehntes Buch heranzukommen. Damals gab es verbotene Literatur. Der Roman von Michail Bulgakow „Der Meister und Margarita“ wurde damals in Kopien verbreitet, die auf einem Spiritusdrucker angefertigt wurden. Wir haben ihn aber gelesen. Solche Art Verbote sind eine merkwürdige Sache – sie sind anscheinend nur für die Dummen. Man kann keinem Menschen verbieten, zu atmen oder sich an den Sonnenstrahlen zu erfreuen. Es ist aber leider auch so, dass die schönste Kunst dann geboren worden ist, wenn es Gewalt gegeben hat.“

Welche Rolle kommt heute der Kontinuität in der Kunst zu, fragten wir Nikolay Todorov weiter.

Die Kontinuität ist ein Teil der Entwicklungsperiode einer intelligenten Gesellschaft“, meint der Animationskünstler. „Ein glänzendes Beispiel für eine intelligente Herangehensweise an die Kultur ist meiner Ansicht nach Russland. Deshalb verzeichnet dieses Land auch so große Erfolge in der Kunst und der Wissenschaft. Dort setzt man auf die Geistigkeit. In der westlichen Welt gibt es ebenfalls eine Kontinuität. Die einen machen es aus Liebe, die anderen eben aus Pragmatismus. Bei uns existiert die Kontinuität nicht, weil sich keiner für keinen interessiert! Der Bulgare ist der Ansicht, dass er der Ursprung von allem ist. Und das ist mit ein Grund dafür, dass wir uns weiterhin bemühen, das Rad zum zweiten Mal zu erfinden. Meine Großmutter sagte immer: „Wehe dem Volk, dessen Diener zu Herren werden!“ Und gerade das beobachten wir in Bulgarien!

Todorovs Karikatur von Bojko Borissow und Politikern der GERB-Partei

Seit vier Jahren arbeitet Nikolay Todorov an einem 70minütigen Film, der sich „Made in Brachycera“ nennt. Das Drehbuch schrieb Viktor Samuilow. Der Streifen sollte bereits in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstehen, wurde aber verboten.

Brachycera ist der wissenschaftliche Name der Fliegen. Der Film erzählt davon, was passiert, wenn die Macht in die Hände von Ungebildeten fällt – das hilft ihnen nicht, das schadet ihnen nur“, sagte abschließend der bulgarische Animator Nikolay Todorov.

Übersetzung: Wladimir Wladimirow



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