2015 verzeichnete die bulgarische Wirtschaft ein unerwartet hohes Plus von 3% des BIP. Diese Tatsache ist auf die nachhaltige Erholung der Wirtschaft Europas zurückzuführen. Für das laufende Jahr geht man von einem ähnlichen Plus aus, sowohl für Bulgarien als auch für Europa. Der einzige Weg für das von der Regierung anvisierte höhere Wachstum führe über Reformen im Land sowie ein besseres Geschäftsumfeld und Investitionsklima. Das zumindest ist die Meinung von Volkswirt Georgi Angelow vom Institut Open Society. Dabei setzt die bulgarische Regierung als Wachstumsfaktor 2016 auf den Binnenkonsum.
"Der Binnenkonsum lässt hoffen, da das Kernproblem am Arbeitsmarkt verschwunden ist, nämlich die steigende Arbeitslosigkeit. Seit ein-zwei Jahren schrumpft die Erwerbslosenzahl und damit die Befürchtung der Privathaushalte, dass man jeden Moment seinen Job verlieren könnte", sagt Georgi Angelow. "Andererseits sind auch die Zinsen für Kredite und Anleger drastisch gesunken, weswegen Spareinlagen nicht mehr sehr lukrativ sind. Möglicherweise ist es für eine junge Familie, die zur Miete wohnt, jetzt günstiger, über einen Kredit die eigenen vier Wände zu finanzieren. Zudem die Banken 2016 einem Stresstest unterzogen werden und danach meistens deutlich mehr zur Kreditvergabe an Firmen und Privathaushalte geneigt sind. Genau das würde sich förderlich auf den Konsum und damit die Wirtschaft auswirken."
Die drastische Anhebung des Mindestlohns habe zu einer Verzerrung des Arbeitsmarktes in den einzelnen Regionen geführt, so Georgi Angelow. In den Großstädten, allen voran in Sofia, habe die Anhebung des Mindestlohnes keine nennenswerte Folgen, da die Löhne und Gehälter hier deutlich über dem Mindestlohn lägen und der Arbeitsmarkt sich positiv entwickle. In Regionen, in denen der Mindestlohn nah am Durchschnitteinkommen liegt, leide der Arbeitsmarkt und büße Arbeitsplätze ein. Eine weitere Herausforderung ist die Begrenzung der Schattenwirtschaft, die derzeit 30% der bulgarischen Volkswirtschaft ausmacht. Auch dafür braucht es Strukturreformen, damit der Bürger weiß, wofür er Steuern und Versicherungsbeiträge abführt – d.h. der Staat stellt dafür die entsprechenden Dienstleistungen bereit – bessere Straßen, Schulen, Kindergärten, Gesundheitswesen etc. Wenn die Leute diesen Effekt wahrnehmen, sind sie eher dazu geneigt, zum Wohle des Staates beizutragen, anstatt zu protestieren, wie es jüngst gegen die höheren Vignettenpreis der Fall war. Die Bürger hätten Anspruch auf ein entsprechendes Preis-Leistungs-Verhältnis, d.h. aus den von ihnen abgeführten Steuern und Beiträgen ergebe sich der Anspruch auf die entsprechende Leistungsqualität, erklärt der Volkswirt Georgi Angelow.
Inwieweit bedient sich die bulgarische Wirtschaft des schwachen Euros?
"Die bulgarische Wirtschaft ist deutlich vom schwachen Euro betroffen, jedoch eher indirekt durch die Auswirkungen auf die Wirtschaft der Eurozone", meint Georgi Angelow. "Wenn beispielsweise konkurrenzstarke deutsche, französische und österreichische Unternehmen exportieren, dann wirkt sich das auch positiv auf ihre Subauftragnehmer in Bulgarien aus. D.h. indirekt aus dem Grund, dass der schwache Euro die Exporte Europas wettbewerbsfähiger macht sowie ein Großteil der bulgarischen Exporte nach Europa geht und vor allem das die bulgarische Wirtschaft ankurbelt."
Inwieweit machen die niedrigen Treibstoffpreise Investitionsressourcen frei?
"Mit Sicherheit sind die Preise für Treibstoff und Energie sehr wichtig für Bulgarien, da unser Land reell gesehen keine Treibstoffe herstellt", erklärt Georgi Angelow. "Das ist sozusagen eine Art Steuer, die die Firmen und Privathaushalte tragen müssen. Das billige Mineralöl zieht die Verbilligung von Erdgas nach sich. Das wiederum lässt die Fernwärmepreise purzeln und stabilisiert den Energiesektor. All das bedeutet mehr freie Mittel für die Haushalte und weniger Kosten für die Firmen, die die frei gewordenen Mittel anderweitig investieren können. Dieser Effekt wird mit jährlich 350-500 Millionen Euro beziffert, d.h. er kommt der bulgarischen Wirtschaft sehr entgegen."
Übersetzung: Christine Christov
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