„Eine der wenigen erhaltenen mittelalterlichen bulgarischen Städte, die nicht durch neuzeitliche Bebauungen zerstört sind.“ So charakterisiert der Archäologe Prof. Valentin Pletnjow die Festung Kastrici, deren Überreste sich in der Nähe der bulgarischen Schwarzmeerstadt Warna befinden. Die historische Stätte wurde in den vergangenen 120 Jahren von Schatzsuchern verschont, weil sie sich in den Parkanlagen der Regierungsresidenz „Euxinograd“ befindet.
„Die Ausgrabungen laufen bereits seit zehn Jahren und werden von mir geleitet“, erzählt der Direktor des regionalen Geschichtsmuseums Warna, Prof. Pletnjow. „Der Westteil der Stadt wurde fast vollständig aufgedeckt; er besteht aus rund 100 Gebäuden, meist Wohnhäuser, die ein- oder zweistöckig waren. Die Häuser reihen sich eines neben dem anderen entlang der Straßen an, die gepflastert waren. Die Gebäudemauern sind verhältnismäßig gut erhalten und reichen in eine Höhe von über zwei Metern. Zu sehen sind die Tür- und Fensteröffnungen. Ausgegraben wurde also jeweils das unterste Stockwerk; etliche Häuser besaßen ein zweites Stockwerk, das aus einer leichteren Konstruktion bestand, auf deren Reste wir gestoßen sind. Die Stadt wurde von einer starken Festungsmauer geschützt, die das Sankt-Georgs-Kapp abriegelte, auf dem die Stadt errichtet wurde. Die Mauer weist eine für das Mittelalter beachtliche Länge von rund 200 Metern auf. Ein Teil von ihr ist ins Meer gestürzt. Einst hatte sie Wehrtürme, die zur spätantiken Anlage gehörten, da die Stadt bereits damals existierte und im 5. bis 7. Jahrhundert von den Awaren und Slawen zerstört wurde.“
Im 13. Jahrhundert, als der Schwarzmeerhandel und damit die bulgarischen Schwarzmeerstädte aufblühten, wurde die Anlage wieder aufgebaut; die Straßen wurden jedoch neu angelegt. Die Steine der Vorgängerbauten wurden für die Errichtung der neuen Gebäude verwendet.
Kastrici stellt für die Archäologen eine wahre Goldgrube dar. Überall stoßen sie auf überaus interessante Dinge aus dem mittelalterlichen Alltag und Festtag. In den Gebäuden finden die Forscher Unmengen an Keramik, wie auch Schmuck, ganze Münzschätze, verschiedene Metallgegenstände, Kreuze, einschließlich Enkolpien – das sind Kapseln in Kreuzform, die einst Reliquien enthielten. Unter den ausgegrabenen Gebäuden konnten auch zwei kleine Kirchen ausgemacht werden, noch ist jedoch die Hauptkirche von Kastrici nicht entdeckt worden, über deren Existenz die Archäologen lediglich indirekte Hinweise haben.
Die Straßen und Plätze sollen aber nicht so leer bleiben, wie sie sie die einstigen Bewohner verlassen haben. Nach einem Regierungsprojekt wird die Anlage, wie auch der ehemalige Pferdestall des Schlosses Euxinograd, der in ein Museum verwandelt werden soll, dem breiten Publikum zugänglich werden. Derzeit laufen entsprechende Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten. Ein Teil der ehemaligen Festungsmauer wurde bereits rekonstruiert, die erhaltenen Häuserwände wurden befestigt und geeignete Gehwege für die Besucher angelegt, um die historische Bausubstanz zu schonen. Im Sommer oder Herbst dieses Jahres könnten schon die ersten Touristen die mittelalterliche Stadt besuchen.
Das wird aber nicht das einzige historische Objekt sein, das das Interesse der geschichtsbegeisterten Touristen auf sich ziehen wird. Der Archäologe Prof. Valentin Pletnjow arbeitet auch an einem anderen Ausgrabungsort in der Nähe von Warna. Es ist die ebenfalls aus dem Mittelalter stammende Stadtfestung Petrici in der Nähe des Dorfes Awren.
„Es handelt sich um eine Festung, die auf einem großen Felsmassiv über dem See von Dewnja thront“, erzählt der Archäologe. „Diese Siedlung wurde bereits in der Antike gegründet und entwickelte sich auch im Mittelalter, ähnlich wie Kastrici, in eine stark befestigte Stadt. Sie ist uns aus den Chroniken über den Kreuzzug gegen die Türken und die Völkerschlacht bei Warna bekannt, die der polnische König Wladislaus III. Jagello 1444 führte. Es ist sogar das Datum bekannt, an dem die Kreuzritter diese Stadt einnahmen und plünderten – das geschah am 7. November 1444. Auf Antrag der Gemeinde Awren haben wir im vergangenen Jahr mit Ausgrabungsarbeiten begonnen. Bislang wurden Teile von zwei Kirchen ausgemacht und verschiedene Funde gemacht. Die Stadt Petrici war vom 11. Jahrhundert bis zu ihrer Zerstörung Mitte des 15. Jahrhunderts ständig bewohnt. Leider hat man vor rund 100 Jahren wenig auf solche Anlagen geachtet und im Zuge des großangelegten Straßen- und Schienenbaus Anfang des 20. Jahrhunderts wurden viele alte Festungsmauern im ganzen Land eingerissen und die Steine für neue Bauten wiederverwendet. Und das geschah mit der Genehmigung der Behörden, wie beispielsweise im naheliegenden Dewnja“, bedauert Prof. Pletnjow, der nun den einstigen Stadtfestungen zu neuem Glanz verhilft.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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