Am Sonntag sind 6.363.761 wahlberechtigte Bulgaren aufgefordert, neue Bürgermeister und Gemeinderäte zu wählen und bei einem Referendum über die Einführung der Online-Wahl abzustimmen. Von einem kontroversen Wahlkampf war aber keine Spur.
Fad ist der vierwöchige Wahlkampf verlaufen. Für viele Bulgaren fand er erst gar nicht statt. Mit ein Grund dafür ist vermutlich, dass es kaum Meinungsumfragen während des Wahlkampfes gab. Es mag unglaublich klingen, aber vermutlich interessiert es die Politiker nicht, wie die Wähler ihre Chancen sehen. Soziologen kommentieren, dass sie keine Aufträge von den Parteizentralen bekommen haben. Da es auch die Journalisten gewohnt waren, den Politbarometer vor Wahlen zu zitieren, halten sie sich nun mit Prognosen über den Wahlausgang zurück.
Das Besondere an den Kommunalwahlen am Sonntag ist, dass gleichzeitig auch ein Referendum abgehalten wird. Die vom Staatspräsidenten initiierte Volksbefragung enthielt eigentlich drei Fragen zum Wahlgesetz, geblieben ist nur eine – ob die Online-Wahl in Bulgarien eingeführt werden soll. Diese Option würde in erster Linie die Wahlbeteiligung unter den Auslandsbulgaren erhöhen – immerhin leben knapp 1,5 Millionen Bulgaren im Ausland. Und obwohl es sich bei der Online-Wahl um eine Frage handelt, die durchaus kontrovers diskutiert werden könnte, lief auch dazu der Wahlkampf fad ab. Nun hängt es mehr oder weniger von der Wahlbeteiligung ab, ob die Online-Stimmabgabe überhaupt Gegenstand gesetzlicher Änderungen wird. Denn beim Referendum müssen mindestens genauso viele Wahlberechtigte teilnehmen, wie bei den letzten Parlamentswahlen. Für ein Referendum – eine recht hohe Barriere.
Viele politische Beobachter führen den passiven Wahlkampf auf das Desinteresse der Parteien an eine hohe Wahlbeteiligung zurück. Denn je weniger Wahlberechtigte zur Urne gehen, um so stabiler wären ihre Ergebnisse. Immer wählen gehen bekanntlich die Stammwähler. Die Befürworter der Online-Wahl behaupten, eine niedrige Wahlbeteiligung würde die konservativen Kreise in den Parteien in ihrer Behauptung stärken, die Bürger seien noch nicht reif genug, um über so wichtige Fragen, wie Reformen des Wahlgesetzes, zu entscheiden.
Die vier Parteien, die sich vor ziemlich genau einem Jahr zu einer komplizierten Regierungskoalition durchgerungen haben, gehen getrennt in die Kommunalwahlen, was unweigerlich zu Spannungen unter ihnen geführt hat. So gesehen können die Wahlergebnisse am Sonntag diesen Graben nur noch vertiefen. Eine nicht überzeugende Darstellung des Reformblocks würde seine Stellung in der Regierung als zweitwichtigster Partner der bürgerlichen GERB-Partei von Ministerpräsident Borissow deutlich abschwächen. Mehr noch – dann ist eine engere Kooperation der Regierungspartei GERB mit der vom Reformblock verpönten Wirtschaftspartei DPS nicht mehr grundsätzlich auszuschließen. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass die Türkenpartei DPS den Platz der zweitstärksten politischen Kraft im Land von den kriselnden Sozialisten einnimmt. Dann wird man berechtigt auch über den Ausgang der Präsidentschaftswahlen 2016 und sogar der nächsten Parlamentswahlen in drei Jahren mutmaßen dürfen.
Deutsche Fassung: Vessela Vladkova
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