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1998: Todor Schiwkow – das Ende eines Diktators

Foto: Archiv

Er wurde am 7. September 1911 im Dorf Prawez, rund 80 Kilometer von Sofia geboren, 1932 wurde er Mitglied der Bulgarischen Arbeiterpartei (Kommunisten), ab 1948 Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und im Jahr 1954 wurde er zu dessen Ersten Sekretär gewählt. Im Jahr 1962 wurde er Premierminister, und im Jahr 1971 - Vorsitzender des Staatsrates – eines kollektiven Organs, dass die Funktionen eines Staatschefs ausübte. Anfang 1990 wurde er festgenommen und verschiedener Verbrechen angeklagt. Das ist in aller Kürze die Biographie des Mannes, der Bulgarien 33 Jahre lang regierte – Todor Schiwkow.

Die Forscher unserer jüngsten Geschichte betonen, dass eben das autoritäre und lang anhaltende Regime Schiwkows die Hauptschuld an der relativ späten Ausbildung einer Zivilgesellschaft im Land und für die Unterdrückung jeglicher Eigeninitiative und jeglichen Andersdenkens trägt.

Der politische Aufstieg von Schiwkow von 1953 bis 1964 fiel mit dem Wechsel der Generationen im bulgarischen politischen Leben zusammen. Diese Zeit verschiedener wirtschaftlicher Strategien und Experimente war eng mit der Festigung seiner politischen Positionen im Land und seiner Beziehungen zum "großen Bruder" – der Sowjetunion – verbunden. In seiner gesamten Regierungszeit rührte Schiwkow die Trommel für den "Sieg des sozialistischen Modells". Dieses Modell und sein persönliches Regime – denn als Staatsratsvorsitzender und Vorsitzender der Kommunistischen Partei kontrollierte er auch das Parlament und die Regierung – führten Bulgarien jedoch drei Mal an den Rand des Bankrotts.

Das erste Mal war im Jahr 1960, als er illegal, auf eine fast kriminelle Weise, die Goldreserven des Landes an die Sowjetunion verkaufte. Das zweite Mal kam 1977-1979, als insgesamt 6 Milliarden Dollar Schulden gegenüber westlichen Banken angehäuft wurden und Bulgarien sich nicht in der Lage erwies, diese zurückzuzahlen.

Das dritte Mal dann ganz am Ende, 1989, als Schiwkow, obwohl der Staat schon zwei Jahre lang seine Schulden nicht zahlen konnte, sein Regime durch neue Kredite westlicher Banken am Leben zu erhalten versuchte. Der Preis, der für diese autoritäre und willkürliche Verfügung über die Mittel des Staates gezahlt wurde, betrug letztendlich 11 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden und umgerechnet noch einmal 20 Milliarden Dollar innere Verschuldung im Land, eine zerrüttete Landwirtschaft, ein verschuldeter Militär-Industrie-Komplex, ein gerade geschaffenes Unternehmenssystem ohne Devisen-Ressourcen. Ausnahmen bildeten nur Außenhandelsunternehmen, die von der Staatssicherheit kontrolliert wurden und die nach der Wende von 1989-90 das Startkapital für die neuen roten Millionäre lieferten.

In seinen wortreichen Ausführungen vor den Staatsanwälten im Verlauf der beiden Ermittlungsverfahren gegen ihn, die die Nummern 1 und 4 trugen, gestand Schiwkow seine Schuld am wirtschaftlichen Ruin Bulgariens ein, weigerte sich aber, dies auch öffentlich zu tun. Im ersten Fall wurde Schiwkow des Amtsmissbrauchs beschuldigt. Ihm wurde zu Last gelegt, mehr als 26 Millionen Lewa für sich selbst oder für andere Personen hinterzogen zu haben. Der "Fall №4" wiederum wurde 1991 aufgenommen, um die Ursachen und die Schuldigen der wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes zu ermitteln. Beide Fälle kamen letztendlich jedoch gar nicht vor Gericht, da es sich herausstellte, dass keine Klagen erhoben werden konnten, und die Ermittlungen wurden eingestellt. Indes, im Jahr 1990, wurde gegen Schiwkow ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen des gewaltsamen Namenswechsels der bulgarischen Türken und ihrer Vertreibung aus dem Land eröffnet – der euphemistisch "Wiedergeburtsprozess" genannt wurde. Im Januar 1990, gut zwei Monate nach seinem Sturz, wurde gegen ihn ein Haftbefehl ausgestellt, er wurde festgenommen, doch nach wenigen Monaten wurde die Untersuchungshaft durch Hausarrest ersetzt.

"Unser Volk und die internationale Gemeinschaft erwarten, dass das zu einem politischen Prozess wird, dass es zu einer Anklage gegen Todor Schiwkow wegen Verbrechen gegen den Staat, gegen das Volk und so weiter kommt. Solche Anklagen wurden gegen mich aber überhaupt nicht erhoben. Sämtliche Vorwürfe bei den Ermittlungen - ich sei ein Agent gewesen, ich hätte Milliarden von Dollar in westliche Banken verschleppt – sie alle wurden fallengelassen. Das alles waren Verleumdungen, die vom Untersuchungsausschuss unter dem Vorsitz von Andrej Lukanow, Verleumdungen um der Sensation willen gegen den ehemaligen Staatschef und Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Generalstaatsanwaltschaft übergeben wurden, damit man Ermittlungen gegen mich aufnehmen kann", sagte Todor Schiwkow zum ersten Ermittlungsverfahren gegen ihn, über sich in der dritten Person sprechend. Die Aufnahme stammt aus dem Tonarchiv des Bulgarischen Nationalen Rundfunks.

Im Februar 1991 begann ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen KP-Chef mit dem Vorwurf, ihm nahe stehende Personen illegal mit Wohnungen, Autos und Geld beschenkt zu haben. Diesmal kam es zu einer Anklage und zum Prozess und im September 1992 verurteilte ihn das Oberste Gericht zu sieben Jahren Gefängnis wegen der Veruntreuung von 21 Millionen Lewa. Im Juni 1993 wurde ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Schiwkow aufgenommen – diesmal wegen der Straflager, in die zwischen 1944 und 1962 Tausende Menschen gesperrt wurden, die der kommunistischen Macht nicht genehm waren und die dort zur schwersten Zwangsarbeit gezwungen und gefoltert wurden. Viele von ihnen kamen durch Krankheiten infolge der scheußlichen Lebensbedingungen und der schweren Arbeit ums Leben, wurden zu Tode gefoltert oder "auf der Flucht erschossen". Es folgte ein weiteres Verfahren, in dem Todor Schiwkow vorgeworfen wurde, Hunderte Millionen Lewa aus dem Staatshaushalt ins Ausland überwiesen zu haben, um als "brüderliche politische Hilfe" linke Arbeiterorganisationen in der Dritten Welt zu unterstützen. Im Zusammenhang mit diesen beiden Fällen kam es jedoch zu einem Urteil des Verfassungsgerichts, dass man nur dann von Veruntreuung sprechen könne, wenn "ein eigenes oder fremdes persönliches Interesse" als Motiv dafür vorliege, "nicht aber ein öffentliches Interesse". Mit Beschluss der Verfassungsrichter wurde auch der Fall "Wiedergeburtsprozess" im voraus entschieden, denn wie erklärt, verfolge das Gesetz in Bulgarien nur Verbrechen gegen "Rassen und Nationalitäten", aber nicht Verbrechen gegen ethnische Gruppen. Und so erwies es sich letztendlich, dass es für die 45 Jahre des totalitären und autoritären kommunistischen Regimes in der Volksrepublik Bulgarien nicht einen Schuldigen gibt – nicht einmal Todor Schiwkow.

Er starb am 5. August 1998 – noch unter Hausarrest.

Übersetzung: Petar Georgiew




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