Die Arbeitslosenrate in Bulgarien ist im zweiten Quartal auf den niedrigsten Stand seit 2010 gesunken und liegt nach Angaben des Nationalinstituts für Statistik derzeit bei etwa 10 Prozent. Die Zahl der Beschäftigten beträgt mehr als 3 Millionen. Das Ergebnis zeigt aber auch die relative Fähigkeit unserer Wirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Trotz der positiven Entwicklung in den Monaten April bis Juli hat sich die Beschäftigung leicht erhöht, doch die Wachstumsrate hat sich verringert.
"Es wurden in einem Jahr 31.000 Arbeitsplätze geschaffen, laut den neuesten Daten der Statistik für das zweite Quartal 2015", kommentiert Jawor Alexiev vom Institut für Marktwirtschaft. "Im letzten Quartal 2014 und Anfang dieses Jahres hat die Wirtschaft zwischen 50.000 und 60.000 Arbeitsplätze pro Jahr geschaffen. Zum ersten Mal sehen wir das zweite Quartal in Folge wirklich eine rückläufige Tendenz, bei der die Zahl der neu eröffneten Arbeitsplätze sinkt. Laut unseren Analysen kann der Rückgang der Arbeitslosenrate nicht mit dem Tempo erfolgen, wie es bis jetzt der Fall war, und der Grund dafür ist, dass ein großer Teil der Leute, die in der Lage gewesen sind, eine Arbeit zu finden, das wahrscheinlich auch getan haben. Die Arbeitslosenquote wird entsprechend auf ihre strukturelle Komponente beschränkt", so der Experte.
Auf der einen Seite gibt es nur wenige wettbewerbsfähige Fachleute außerhalb des Arbeitsmarktes, doch auf der anderen reichen die Investitionen in die Wirtschaft nicht aus, um eine zunehmende Beschäftigung zu fördern. Trotz der geringen Qualifikation verlässt ein großer Teil der Arbeitslosen das Land und findet Arbeit im Ausland – vor allem in den wirtschaftlich stärker entwickelten Ländern der EU. Es gehen auch viele hoch qualifizierte Fachleute weg, zum Beispiel medizinisches Personal, die mit ihren Arbeitsbedingungen und der niedrigen Bezahlung im Land unzufrieden sind.
"Es gibt noch sehr viel Schwung auf dem Arbeitsmarkt. Wir gehen davon aus, dass das Wachstum der Beschäftigung in der Wirtschaft bis Ende des Jahres weitergeht, vor allem angesichts der Tatsache, dass das dritte Quartal in der Regel das stärkste ist", prognostiziert der Experte.
Dieser Trend ist aber nicht gleichmäßig verteilt. Er wirkt sich auf mehrere wichtige regionale Zentren aus und in vielen anderen Gebieten ist keine solche Entwicklung zu beobachten.
"Ende vergangenen und Anfang dieses Jahres war die Wiederherstellung gleichmäßig auf dem Territorium des Landes verteilt, während es sich jetzt, im Zeitraum April bis Juli dieses Jahres, zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeitsplätze in Sofia und Warna eröffnet wurde", sagte Jawor Alexiew. "Besonders besorgniserregend ist der Rückgang in der Südlichen zentralen Planungsregion (Smoljan, Kardschhali, Haskowo), wo mit Ausnahme von Haskowo, glaube ich, alle Jahr für Jahr Arbeitsplätze verlieren. Eben die Südliche zentrale Planungsregion führte die Erholung auf dem Arbeitsmarkt für den Zeitraum 2012-2014 an. Die Situation in der Nordwestlichen und der Nördlichen zentralen Region bleibt ernst, mit Ausnahme von Weliko Tarnowo. Die Bezirke Gabrowo und Russe sind relativ stabil, doch im Nordwesten Bulgariens gibt es keine Anzeichen für Fortschritte. In einigen Bezirken kann man nicht einmal vom Ansatz eines Trends der Erholung sprechen – zum Beispiel in Lowetsch, Montana und teilweise Widin", so der Experte.
Die Frage ist, ob sich die wirtschaftliche Entwicklung der Kleinstädte in Bulgarien in einer Sackgasse befindet, nachdem die dortigen Unternehmen kaum etwas investieren und das Interesse von Firmen aus dem Ausland, die vor der Krise an erster Stelle in der bulgarischen Wirtschaft für Bewegung sorgten, dramatisch gesunken ist. Die teuren finanziellen Ressourcen, das unsichere wirtschaftliche Umfeld und die geringe Kaufkraft der Bevölkerung bremsen die Business-Initiativen von Bürgern und Unternehmen.
Jüngste Daten der Bulgarischen Nationalbank über die ausländischen Direktinvestitionen in Bulgarien in der ersten Hälfte dieses Jahres bestätigen das düstere Bild: winziges Wachstums von knapp 2 Prozent, wobei ein großer Teil dieser Investitionen auf das Kapital der jeweiligen Gesellschaften verteilt wurde – es diente also eigentlich dazu, Verluste zu decken.
Übersetzung: Petar Georgiew
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