Die rasante Entwicklung der Technologien in den letzten Jahren hat nicht nur unser Leben verändert, sondern auch die Grenzen zwischen sogenannten Frauen- und Männerberufen verschwimmen lassen. „Wichtig ist, was man zur Prosperität seiner Firma beitragen kann, das Geschlecht spielt dabei eigentlich keine Rolle“, meint Plamen Tolew, Manager eines deutsch-bulgarischen Software-Unternehmens. Seinen Worten zufolge ist die Geschlechterfrage in der Internet-Branche seit langem kein Thema. Es zählen vielmehr die Persönlichkeit und die Berufsfähigkeiten der Arbeitnehmer. Keine internationale Firma würde es sich leisten, ihre Mitarbeiter nach Geschlecht, Nationalität, religiöser Zugehörigkeit etc. zu trennen.
Viele Bulgarinnen verneinen die Frage, ob sie sich bei der Arbeit ungleichgestellt fühlen. Offizielle Angaben belegen allerdings, dass die Gehälter der bulgarischen Frauen um ein Fünftel niedriger ausfallen als die von Männern. Experten zufolge wird die „Feminisierung der Armut“ zum anhaltenden Trend, denn alleinstehende Frauen, die Familienoberhaupt sind, verdienen in der Regel 25 bis 30 Prozent weniger.
Von Jahr zu Jahr nehmen die von Frauen bei der Kommission zum Schutz vor Diskriminierung eingereichten Beschwerden zu. Der häufigste Grund: Viele Arbeitgeber weigern sich, ältere, schwangere oder kinderreiche Frauen anzustellen. Es gibt auch Fälle von sexueller Belästigung. Manchen Frauen werden Pflichten aufgebürdet, die nicht im Arbeitsvertrag verankert sind. Selbstredend ist, wie eine Flötistin aus dem Stadtorchester in Lowetsch als Reinigungskraft einspringen sollte, weil sie die einzige Frau unter den Musikern sei. Genowewa Tischewa, die dem Bulgarische Zentrum für Genderforschung vorsteht, weiß von etlichen Diskriminierungsfällen zu berichten.
„Den Anlass, unser Augenmerk auf die Lage der bulgarischen Frauen zu richten, hat uns die Rentenreform geliefert“, meint die Expertin. „Selbst jüngeren Frauen fällt es in letzter Zeit schwer, einen Job auf dem stagnierenden Arbeitsmarkt zu finden und so bleiben sie länger isoliert als Männer. Auch fällt das Verhältnis zwischen Auslastung und Bezahlung zu ungunsten der Frauen aus. Hinzu kommt Diskriminierung aufgrund des Alters. An vielen Stellen werden Frauen über 40 oder 45 nicht angestellt, obwohl sie die nötige Ausbildung und Qualifikation mitbringen. Der Grund ist, dass ihr Aussehen nicht den Vorstellungen der Arbeitgeber entspricht. Selbst in den Inseraten geben manche Arbeitgeber vor, wie die Kandidatinnen auszusehen haben. Das trifft vor allem für den Sektor Dienstleistungen zu. Im Alter, wenn Frauen für die Ernährung ihrer Familie aufkommen müssen, häufen sich Fälle von Ausbeutung am Arbeitsplatz. Es ist kein Geheimnis, dass Frauen in der Schneiderindustrie der Willkür ihrer ausländischen Arbeitgeber ausgesetzt sind, ohne dass diese von den Kontrollbehörden bisher bestraft worden wären. Die Einführung des gleichen Rentenalters wird zu einer Eskalation der Diskriminierung an Frauen führen. Um eine Rente zu erhalten, müssen die Arbeitnehmer 37 Dienstjahre abgeleistet haben – eine Forderung, der der Großteil der arbeitstätigen Bulgarinnen nicht genügen kann“, meint Genowewa Tischewa.
Das Problem zieht aber auch größere Kreise. Selbst in nachgewiesenen Fällen von Diskriminierung am Arbeitsplatz verzichten viele Frauen darauf, vor Gericht zu ziehen. Die Medien haben von Elka Scharbanowa aus Russe berichtet, deren Entlassung von der Diskriminierungskommission als direkte Geschlechterdiskriminierung eingestuft wurde. Trotzdem wurden dem Arbeitgeber keine konkreten Vorgaben gemacht, was getan werden muss. Nach Worten von Genowewa Tischewa landen vor allem Frauen aus kleineren Ortschaften, die es wagen, ihre Rechte geltend zu machen, auf der schwarzen Liste der Arbeitgeber, so dass sie über einen längeren Zeitraum arbeitslos bleiben.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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