In einem der Sofioter Vororte, an dem die Ausläufer des Witoscha-Gebirges langsam zu spüren sind, liegt die Kirche des heiligen Elias, eingebettet zwischen Jahrhunderte alten Bäumen, die das Gotteshaus vor der Hektik des Alltags zu verstecken scheinen. Diesem Ort haftet etwas märchenhaft Verschlafenes an. Er erzählt die Geschichte eines unvoreingenommenen Zusammenlebens der Menschen, die zwar das Wort „Toleranz“ nicht kannten, diese dafür aber für eine Selbstverständlichkeit hielten.
Der Grundstein für die Elias-Kirche im heutigen Sofioter Vorort Knjaschewo wurde genau 10 Jahre nach der Neugründung des Staates 1878 gelegt. Die eingemeindete Ortschaft hat ihre Entstehung den Mineralwasserquellen zu verdanken, die mit ihrer mäßig warmen Temperatur besonders in den heißen Sommermonaten Erfrischung anboten. Der erste bulgarische Landesfürst der Neuzeit, Alexander der I. von Battenberg aus dem Hause Hessen-Darmstadt, fand hier häufig die ersehnte Erholung, was in ihm den Wunsch aufkommen ließ, hier seine Sommerresidenz einzurichten. Dazu musste aber der Ort umgestaltet werden, womit der damalige Ministerpräsident Stefan Sambolow beauftragt wurde. Und so wurden Projekte für eine neue Kirche und eine moderne Post erstellt. Zum Bau eines Schlosses kam es jedoch nicht, denn 1886 wurde Alexander I. zum Abdanken gezwungen. Das vom Fürsten gebilligte Kirchenbauprojekt war aber schon in Angriff genommen worden, so dass die Grundsteinlegung am 20. Juli 1888 erfolgte. Vollendet wurde die Eliaskirche 1893 und ausgemalt zwischen 1913 und 1919. Die Ikonenwand ist übrigens eine Schenkung des Premierministers Stambolow. Der Ort selbst erhielt in Andenken an den Fürsten einen neuen Namen: Knjaschewo, abgeleitet vom bulgarischen Wort von Fürst – Knjas.
„Vordem hieß es „Bali Effendi“, benannt nach einem Mann, der hier im heutigen Kirchenhof einst lebte“, erzählte uns Seine Exzellenz der Bischof von Marzianopel, Konstantin, Vorsteher der Eliaskirche. „Bali Effendi lebte im 16. Jahrhundert und war ein moslemischer Mönch – ein Derwisch, der als Kräuterheiler bekannt war. Nicht nur Moslems wandten sich an ihn um Hilfe, die er keinem verwehrte. Er unterstütze die Menschen, unabhängig von Religion und Herkunft. In seinem Testament hielt er sogar fest, dass nach seinem Tod sein Eigentum an die Bewohner, Türken, wie auch Bulgaren, gleichmäßig verteilt werden soll. Nach seinem Ableben errichteten ihm die Menschen hier an diesem Ort ein Grabmal.“
Gerade auf den Ruinen der später verlassenen kleinen Moschee, in der Bali Effendi seinen Dienst tat, wurde in der Neuzeit die Eliaskirche erbaut. Das Grundstück selbst hatte ein Einheimischer speziell in Konstantinopel gekauft, um es der Kirche zu vermachen. Und so stehen heute eine christliche Kirche und das Grabmal eines moslemischen Heiligen dicht nebeneinander. Wie ist das vereinbar, fragten wir Bischof Konstantin.
„Es ist eine Frage der Toleranz. Das bulgarische Volk ist tolerant und die orthodoxen Christen sind es sogar noch mehr“, meint der Kirchenvorsteher. „Wir haben keine Probleme – die Christen gehen in die Kirche, während die Moslems hierher kommen, um sich am Grab des Bali Effendi zu verneigen. Die wahrhaft gläubigen Menschen sind tolerant. Sie achten den Mitmenschen und sehen in ihm einen Bruder. Die orthodoxen Christen sind friedvolle Menschen, die aufrichtig gläubigen Moslems sind es auch.“
Bischof Konstantin musste dennoch zugeben, dass vor einigen Jahren das Dach des moslemischen Grabmals absichtlich in Brand gesetzt worden ist. Es wurde jedoch wieder restauriert und heute ist das Grabmal in tadellosem Zustand.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Miglena Iwanowa
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