Eines der Ziele der neuen Gesundheitsstrategie Bulgariens sieht vor, dass die Krankenkasse mehr Mittel für die Behandlung von Patienten mit billigeren, so genannten "generischen", Medikamenten zur Verfügung stellt, was zu erheblichen Einsparungen öffentlicher Mittel führen könnte.
Zur Erklärung: generische Medikamente sind quasi "Kopien" von Markenprodukten, deren Patentfrist abgelaufen ist. Regierungen europäischer Staaten gehen davon aus, dass wesentliche Gesundheitskosten eingespart werden könnten, wenn die billigeren generischen Medikamente breiter eingesetzt werden. Auch die Reform der EU-Arzneimittelvorschriften zielt unter anderem darauf ab, die europäischen Generika-Hersteller zu fördern. Laut dem Vorstandsvorsitzenden des großen bulgarischen Pharmaunternehmens Sopharma Ognjan Donew gibt es im Moment in Bulgarien aber keine wirkliche Politik zur Förderung solcher Medikamente, sondern nur Absichten in dieser Richtung.
"Wir alle warten noch ab, wie die Politik im Bereich der generischen Medikamente aussehen wird. Wir müssen eine solche Formel zu Gunsten des Patienten finden, die ein Gleichgewicht zwischen innovativen und generischen Arzneimitteln herstellt", meint Ognjan Donew. "Generika können von jedem Pharmaunternehmen nach dem Ablauf des Patents eines jeden innovativen Produkts hergestellt werden. Aufgabe der staatlichen Arzneimittelagentur ist, die Äquivalenz zwischen dem generischen und dem ursprünglichen Medikament festzustellen, und es ist für die Verbraucher eine Frage der Informiertheit zu wissen, dass sie praktisch das gleiche Arzneimittel zu unterschiedlichen Preisen kaufen können. In einem System, in dem die finanziellen Mittel nicht ausreichen, müssen die Regierenden einen Weg finden, damit die Patienten die Vorteile billigerer Behandlungen nutzen, die den gleichen Endeffekt haben können. Die Gegenüberstellung von originalen und generischen Arzneimitteln besteht schon seit Jahrzehnten und sie erweckt bei vielen Verbrauchern den Endruck, dass die einen gut und die anderen schlecht seien, obwohl es eigentlich ein und dasselbe ist. Wir setzen uns dafür ein, dass es innovative und generische Arzneimittel gibt, weil die Gesellschaft für neue Behandlungen viel Geld haben muss, vor allem, wenn der Wirkstoff besonders hochwertige Eigenschaften hat. Um aber Geld für teure neue Medikamente zu haben, muss die Gesellschaft sparen, wo immer das möglich ist und dann kommen wir – die Hersteller generischer Medikamente", so der Chef von Sopharma.
Die neue Gesundheitsreform sieht die Schaffung eines zentralisierten elektronischen Systems für den Kauf von medizinischen Produkten und Geräten für die medizinischen Einrichtungen vor. Laut Ognjan Donew ist das eine gute Idee, weil dadurch der Anbieter mit den besten Lieferbedingungen bevorzugt werden sollte, was zu finanziellen Einsparungen führen würde. Allerdings würde dies seiner Ansicht nach zu einer weiteren Konzentration der Pharma-Industrie führen. "Derzeit entfallen in Bulgarien 85 Prozent der Lieferungen für die Apotheken und für die Krankenhäuser auf vier große Unternehmen. Die Gesamtzahl der Unternehmen der Branche ist 300-400. Es ist offensichtlich, dass diejenigen Firmen die besten Bedingungen bieten können, die Dank der Maßstäbe ihrer Produktion Einsparungen machen können, also die Großunternehmen", sagte Donew.
Bulgarien gehört zu den EU-Ländern mit der höchsten Mehrwertsteuer auf Medikamente. Ist es notwendig, diese Steuer zu senken oder einen gestaffelten Steuersatz auf verschiedene Medikamente einzuführen, lautete die nächste Frage an ihn.
"Bulgarien ist eines der wenigen Länder in Europa, das den vollen Mehrwertsteuer-Satz – in unserem Fall 20 Prozent – auf die Medikamente anwendet. Zur gleichen Zeit drängt man in vielen anderen Branchen auf eine Senkung oder sogar gänzliche Befreiung von der Mehrwertsteuer. Die bulgarische Steuerbehörde ist derzeit jedoch rein verwaltungstechnisch gar nicht in der Lage, mit einem solchen Informationssystem und mit unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen umzugehen. Ich persönlich bin also pessimistisch, dass dies geschehen könnte, obwohl das von Vorteil für die Verbraucher wäre", so Ognja Donew. "Falls gestaffelte Steuersätze eingeführt werden, wird der Staat zwangsläufig die Verwaltung aufblasen. Deshalb begrüße ich persönlich den einheitlichen Steuersatz. Die einzige Ausnahme ist der Tourismus, der einen niedrigeren Steuersatz erwirkt hat, weil diese Branche wesentliche Deviseneinnahmen aus dem Ausland ins Land bringt und gefördert werden muss."
"In Bezug auf die Medikamente ist es viel wichtiger, die geringen öffentlichen Ressourcen, die für die Finanzierung von Medikamenten ausgegeben werden, für die Behandlung schwerer Krankheiten einzusetzen", meint der Chef von "Sopharma" weiter. "Im Ausland sagt man, dass Bulgarien eine recht exotische Krankenkasse habe, weil man sehr viel Geld für die Bekämpfung bedeutender Krankheiten ausgibt, von denen aber nur ein sehr geringer Teil der bulgarischen Bevölkerung betroffen ist. Natürlich ist es vom moralischen Standpunkt aus nur sehr schwer zu sagen, welche Krankheit bedeutsam ist und welche nicht, doch in Anbetracht der unzureichenden Finanzmittel muss das Land das meiste Geld für die Behandlung von Herzerkrankungen und von anderen Krankheiten einsetzen, die den Großteil des bulgarischen Volkes betreffen", meint Ognjan Donew.
In den letzten Monaten exportieren bulgarische Unternehmen, darunter auch Sopharma, weniger Medikamente auf den russischen und den ukrainischen Markt. Nach Meinung von Ognjan Donew liegt das an der Abwertung der lokalen Währungen, was zu einem Rückgang der zahlungsfähigen Nachfrage in diesen Ländern geführt hat. Dies betrifft auch den bulgarischen Tourismus, weil weniger Touristen aus diesen Ländern nach Bulgarien kommen. "In dieser Situation reichen die Budgets der privaten Haushalte nicht aus, um die höheren Preise der Importwaren zu decken und deshalb sollte man nicht versuchen, dahinter andere Gründe zu suchen, wie zum Beispiel die politischen Beziehungen. Alles in allem sind wir in der Pharmabranche etwas privilegiert, weil es sich bei unseren Produkten um Waren des dringendsten Bedarfs handelt, d.h., wenn man als Privatperson versucht, Einsparungen zu machen, dann setzt man nicht bei den Medikamenten an, sondern bei den Luxusgütern, Reisen ins Ausland, etc.", sagt er.
Wird sich die geplante Erhöhung der Strompreise für industrielle Verbraucher auch auf die Arbeit der Pharma-Unternehmen auswirken, lautete die nächste Frage an ihn.
"Jede Erhöhung der Preise für Rohstoffe oder Elektrizität wirkt sich zwangsläufig schlecht aufs Geschäft aus. Wir sind nicht so sehr benachteiligt, weil unsere Produktion nicht besonders energieintensiv ist", sagt Ognjan Donew. "Es gibt jedoch auch Unternehmen anderer Branchen, bei deren Arbeit sich diese Erhöhung sehr negativ auswirken wird, weil der Strom einen wesentlichen Teil ihrer Produktionskosten ausmacht. Offensichtlich wird ihre Wettbewerbsfähigkeit sinken, und sie könnten sich einen anderen Produktionsstandort in einem anderen Land suchen, wo die Kosten für Industrie-Strom niedriger sind. In Bulgarien sollte der Strompreis nicht für soziale Zwecke genutzt werden. Unser Land ist eines der wenigen, in denen die Industrie einen höheren Preis für Strom zahlt als die privaten Haushalte. Das allgemeine Konzept zur Festlegung dieser Preise in Bulgarien ist falsch und ich habe den Eindruck, die Politiker gar nicht daran interessiert sind, dieses Problem dauerhaft zu lösen", so Donew.
Auf die Frage ob seiner Meinung nach eine Notwendigkeit für eine strengere Regulierung des bulgarischen Marktes für Nahrungsergänzungsmittel besteht, sagte er folgendes:
"Normalerweise hören wir immer dann von solchen Absichten, wenn es wieder einmal zu einem Skandal kommt. Der jüngste solche Fall war wieder mit Doping in der bulgarischen Nationalmannschaft der Gewichtheber verbunden. Die Nahrungsergänzungsmittel werden auf dem freien Markt gehandelt, doch wenn ein solches Mittel einen Wirkstoff enthält, der eine Komponente für die Herstellung eines Arzneimittels ist, sollte es nicht der Kontrolle der Nahrungsmittel-Agentur unterliegen, sondern der Agentur für Arzneimittelkontrolle und es müsste dann den gleichen strengen Wettbewerbsbedingungen unterzogen werden, die auch wir alle beachten müssen, das heißt, die Bedingungen müssen auch für sie gleich sein", meint Ognjan Donew. "Alle Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die den Anspruch erheben, dass ihre Produkte eine positive Wirkung auf die Gesundheit haben, müssen verpflichtet werden, dies auch durch klinische Studien zu beweisen", forderte er abschließend.
Übersetzung und Redaktion: Petar Georgiew
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