Die Bulgaren kaufen heute zum Großteil Obst und Gemüse, das aus dem Ausland kommt. Bis vor einem Vierteljahrhundert mussten wir uns wegen unserer relativ geschlossenen Wirtschaft auf eigene landwirtschaftliche Erzeugnisse verlassen. Im Angebot standen saisonbedingtes Obst und Gemüse und das nicht gerade preiswert. Mittlerweile stehen viele ehemals exotische Obst- und Gemüsesorten auf unserem ständigen Speiseplan. Oft sind Importwaren günstiger als heimische, so dass sie von den Käufern bevorzugt werden. Viele Landwirte klagen über Preisdumping, manche suchen einen Ausweg, indem sie ihre Erzeugnisse in die EU oder in Drittländer exportieren.
Bulgarien hat nach seinem EU-Beitritt etliche Schritte in die richtige Richtung unternommen, lautet die Einschätzung von Holger Kray, Leiter der Agrarabteilung bei der Weltbank: „Bulgarien gehört dem wichtigsten Lebensmittelmarkt der Welt an, dem 28 europäische Staaten angehören, es hat enormes Potential“, ist Kray überzeugt. „Bei der Bewertung, ob ein Land sein Potential zu nutzen weiß, unterscheiden wir zwischen relativen Vorteilen und Wettbewerbsvorteilen. Die relativen Vorteile Bulgariens hängen mit den Böden, dem Klima, den Menschen und der geographischen Lage zusammen und die sind alle sehr positiv. Die Wettbewerbsvorteile werden von der Erwartungen der Kunden im In- und Ausland geprägt. Der Markt ist allerdings launisch und verlangt zunehmend eine bessere Qualität, setzt auf die Zertifizierung und den Ursprung der Erzeugnisse. Das ist zwar eine Herausforderung für Bulgarien, doch die wäre zu meistern.“
Wie wird der Markt wohl in 40 bis 50 Jahren aussehen? Werden die Preise der Nahrungsmittel weiter sinken oder wird genau das Gegenteil eintreten? Die Weltbank geht davon aus, dass die Nachfrage nach Lebensmitteln infolge der wachsenden Weltbevölkerung im Jahr 2035 um ca. 35 Prozent ansteigen wird. 2050 rechnen die Experten mit einer Weltbevölkerung von 9 Milliarden und einer Anhebung der Lebensmittelpreise um 50 Prozent. Trotz der demographischen Krise in Bulgarien könnte unser Land erfolgreich an der Lösung des Welternährungsproblems beteiligen. Einer Studie der Weltbank zufolge sollte sich die Landwirtschaft dem Klimawandel anpassen. Ziel sollte eine höhere Produktivität mit geringeren Kohlenstoffemissionen sein. Aktuellen Kalkulationen zufolge werden 2015 ca. 70 Prozent der Kohlenstoffemissionen auf die Landwirtschaft entfallen. Der Schadstoffausstoß sollte um mindestens 60 Prozent reduziert werden. So sehen die Empfehlungen der Weltbank mit Blick auf die künftigen Herausforderungen vor der Weltwirtschaft aus. Grund für die Probleme in der heimischen Agrarbranche ist jedoch hauptsächlich die Finanzierung. Unlängst haben bulgarische Milchproduzenten gegen den niedrigen Milchkaufpreis protestiert und die Notwendigkeit von Subventionen erneut auf die Tagesordnung gebracht.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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