„Schattenwirtschaft“, „graue Wirtschaft“, „versteckte Wirtschaft“. „dubiose Geschäfte“ – das ist nur ein Teil der Bezeichnungen für Geschäftspraktiken an der Grenze der Legalität oder jenseits dieser Grenze. Die vielen Beispiele in Bulgarien von jungen Leuten mit glamourösem Lebensstil und unklaren Einnahmequellen haben zu einer Verbreitung der Vorstellung geführt, dass man für den materiellen Erfolg im Leben nicht viel lernen und hart arbeiten, sondern nur Eingang in einem „Freundeskreis“ finden muss, der ein bestimmtes Segment der Schattenwirtschaft kontrolliert.
Das Problem mit der Schattenwirtschaft ist aber nicht nur ein nationales Problem in Bulgarien, es ist ein Problem in ganz Europa, um nicht zu sagen – in der Welt. Ein wichtiges Mittel zu ihrer Bekämpfung ist, die Kanäle des Geldflusses zu finden. Genau damit haben aber Polizei und Staatsanwaltschaft in Bulgarien Probleme. Das wurde bei der offiziellen Präsentation des europäischen Berichts „Finanzierung des organisierten Verbrechens“ bekannt gegeben. Die Daten dafür wurden zwischen 2012 und 2014 gesammelt und der Ausarbeitung des Berichts beteiligte sich von bulgarischer Seite das Zentrum für Demokratieforschung.
Der Anlass für die Studie ist eine Entscheidung der EU aus dem Jahr 2008, die erfordert, dass die Mitgliedsstaaten die Finanzierung des organisierten Verbrechens kriminalisieren – d.h. entsprechende Texte in ihre Strafgesetzbücher aufnehmen. Im bulgarischen Strafgesetzbuch ist das jedoch noch nicht klar definiert. Der Schwerpunkt in den Ermittlungen fällt derzeit auf „Geldwäsche“ oder andere Versuche, illegale Einnahmen zu legalisieren. Nicht weniger wichtig ist es aber, auch die Investitionen in der Schattenwirtschaft zu kriminalisieren.
Wie die legalen Geschäfte haben auch die illegalen ihren Geschäftszyklus, der mit Startkapital für den Kauf von Waren, Lohnzahlungen und Zahlungen laufender Kosten, wie auch für die Finanzierung von Einflusssphären und des Durchbruchs auf Absatzmärkten beginnt.
Nach Meinung des Sicherheitsexperten Dr. Atanas Russew ist es sehr wichtig, dass die Regierung die Finanzströme der illegalen Tätigkeiten unterbrechen. Er betonte, dass die Auffassung der Polizei, dass die kriminellen Märkte sich selbst finanzieren, d.h., dass Mittel aus illegalen Geschäftstätigkeiten wieder in solchen Tätigkeiten investiert werden, alles in allem richtig ist, dass das aber nicht die einzige Geldquelle ist. Und weiter:
„Andere Praktiken in Bulgarien neben dem Geld aus Schmuggel, Diebstählen und Raubüberfällen etc. sind zum Beispiel Kredite von einer legalen Firma, nicht garantierte Kredite auf dem Namen von Privatpersonen u.a.“, sagt der Experte. Das Kapital im kriminellen Sektor wird leicht da angehäuft, wo es ein Potential für große Gewinne bei relativ geringem Risiko gibt. Und je größer das Risiko, desto größer auch die Rolle der Vermittler, den Verbindungsleuten zwischen den verschiedenen kriminellen Netzen. Deshalb wird der Erfolg der Schattenwirtschaft nicht nur mit den Umsätzen und den Gewinnen gemessen, sondern auch mit dem Einfluss auf verschiedene Bereiche.
Der Bericht teilt die kriminelle Wirtschaft in zwei Hauptbereiche: in absolut illegale Wirtschaft, wie z.B. der illegale Drogenhandel, und in eine halblegale Wirtschaft, bei der die Waren nicht verboten sind, aber illegal gehandelt werden, ohne Steuern zu zahlen. Dazu gehört zum Beispiel der illegale Zigarettenhandel.
Die bulgarischen kriminellen Kreise sind bekannt für ihre Machenschaften, mit denen mit falschen Rechnungen Mittel aus dem Staatshaushalt in Form von Mehrwertsteuer-Rückerstattung abgeschöpft werden. Das funktioniert mit großen „Exportgeschäften“ mit Waren wie Zucker, Speiseöl oder Fleisch mit Geschäftsvolumen von umgerechnet 1 Million Euro oder mehr. Ein Problem ist auch, dass solche Formen oft mit politischen Parteien verbunden sind, die ihre Hand schützend über sie halten, sodass sie über Jahre unbehelligt „arbeiten“ können.
In der Schattenwirtschaft sind also nicht nur kriminelle, sondern auch politische Kreise verwickelt. Schuld hat aber auch die Gesellschaft, die in vielen Fällen teilweise von der Schattenwirtschaft profitiert und ihr deswegen Sympathien entgegenbringt, wie auch bestimmte Medien, die eine solche Lebensweise idealisieren.
Übersetzung: Petar Georgiew
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