Die Plattenbauten in Bulgarien, ein Symbol des Sozialismus und der Urbanisierung, haben bald ihr 60jähriges Jubiläum. Das Plattenbauverfahren wurde von Frankreich übernommen und wurde vor allem in den 60er bis 80er Jahren massenhaft angewendet, weitaus intensiver als in Westeuropa.
Plattenbauwohnungen sind kostengünstig und entsprechen den finanziellen Möglichkeiten einer arbeitstätigen Familie. Obwohl sie recht unansehnlich sind, prägten sie die Architektur zu sozialistischen Zeiten. Jahrzehnte danach stellen die Plattenbausiedlungen mit ihren wild durcheinander und nach eigener Fasson verglasten Terrassen, den mit Kabeln und Satellitenschüsseln bespickten Fassaden und den auf dem Bürgersteig geparkten Autos eine Art Folklore in der Architektur dar. Über die Eigentümer solcher Wohnungen weiß der Immobilienmakler Peter Sotirow Folgendes zu berichten:
„Das sind in der Regel Familien mit Kindern. Plattenbauwohnungen haben nämlich nicht nur eine große Fläche, sondern auch eine separate Küche, was für eine Familie sehr wichtig ist. Oft wird die Küche zum Kinder- oder Arbeitszimmer umfunktioniert. Bei Plattenbauten kann man die Grundkonstruktion der Wohnungen nicht ändern, kosmetische Korrekturen sind aber durchaus drin. Nach einer guten Sanierung und Wärmedämmung steht ein Plattenbau einem Neubau in nichts nach“, ist Peter Sotirow überzeugt.
Was halten aber die Bewohner der Plattenbausiedlungen von ihrem Umfeld? Ihre Meinungen gehen weit auseinander. Die ältere Generation, die vor Jahrzehnten eine Plattenbauwohnung erworben hat, ist in der Regel damit zufrieden. Hier der Kommentar der Sofioterin Wassilka Georgiewa: „Wisst ihr was der Vorteil der Plattenbauwohnungen ist – sie sind sehr günstig geschnitten, während mir die Neubauwohnungen nicht gefallen“, meint Wassilka Georgiewa.
Die jüngere Generation ist da aber eher skeptisch. Für Jordan Simow sind Plattenbauten hässlich. „Ich würde mich freuen, wenn es sie nicht gäbe. Dann hätten die Menschen aber keine Bleibe. Ich wohne in einem Plattenbau und bin dagegen, dass wir so eng beieinander leben. Mehr Selbständigkeit wäre mir lieber. Mir sagt auch nicht zu, dass sie nicht von Bestand sind und keinen Hof haben“, erläutert Jordan Simow.
Für uns sind Plattenbauten nicht nur ein Nachlass aus der jüngsten Vergangenheit, sondern eine der billigsten Varianten für einen Wohnungskauf in der Großstadt. In Sofia starten die Preise bei ungefähr 30.000 Euro, können jedoch je nach Ausbau der Infrastruktur in den jeweiligen Vierteln variieren. In den letzten 6 Monaten sind die Preise aller Immobilien, Plattenbauwohnungen inklusive, gestiegen. Die ältesten Plattenbauwohnungen sind am kostengünstigsten und somit ein Verkaufshit.
„Seit 1998 spricht man davon, dass der Markt von Plattenbauwohnungen stagnieren wird. Tatsache aber ist, dass die Nachfrage danach durchaus groß ist. Manche Kunden wollen eine Plattenbauwohnung, weil sie für 30.000 bis 40.000 Euro eine hochwertige Immobilie in Großstädten wie Sofia, Warna, Plowdiw und Burgas erwerben können.“
Rein theoretisch ist die Lebensdauer einer Plattenbauwohnung etwa 50 bis 60 Jahre. Zum Glück sieht die Realität besser aus. Ein Problempunkt sind die Schweißnähte zwischen den einzelnen Platten. Falls sie nachgeben, können die Bettonplatten auseinanderdriften und ernsthafte Probleme mit der Konstruktion des gesamten Gebäudes nach sich ziehen. Eine Expertise ist jedoch ziemlich kostspielig und setzt eine Freilegung der Schweißnähte voraus, was für die Wohnungsinhaber verständlicherweise ein No-Go ist. Deshalb verlassen sich die meisten darauf, dass die Ingenieure bei ihren Kalkulationen die Lebensdauer solcher Bauten unterschätzt haben.
Das neue Programm der Regierung zur Sanierung von Plattenbauten wird ihnen neues Leben einhauchen. Die Mittel werden aber nicht für alle Plattenbauten reichen und nicht in besonders gefährdete Bauten investiert werden, sondern in jene, deren Besitzer zuerst einen Antrag auf eine Sanierung gestellt haben.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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