Das große Thema der Diversifizierung in der Energiewirtschaft des Landes erstreckt sich auch auf die Atomkraft. Auch wenn es still um die Idee eines neuen Reaktors im bestehenden Atomkraftwerk Kosloduj geworden ist, gehen die Verhandlungen zwischen der bulgarischen Regierung und dem US-Konzern Westinghouse weiter. Der neue Meiler soll rund 4,7 Milliarden Euro kosten. Rechnet man die notwendige Infrastruktur dazu, kommt man auf eine Gesamtsumme von knapp 7 Milliarden Euro. Diese Summen zitierte der Vizepräsident von Westinghouse Aziz Dag auf einer Energiekonferenz in Sofia in der vergangenen Woche. Parallel zu den Verhandlungen über einen neuen Reaktor geht die Modernisierung der bestehenden zwei Meiler in Kosloduj weiter.
"Die Modernisierung der beiden Reaktorblöcke im Wert von 89 Millionen Euro wird von der amerikanischen Eximbank finanziert", gab Dag bekannt. "Westinghouse hofft, dass die Zusammenarbeit mit der Bank auch beim Projekt des neuen Meilers fortgesetzt wird. Die Einnahmen aus dem Stromverkauf werden sich in den kommenden 20 Jahren auf rund 11 Milliarden Euro belaufen, was den Bau eines neuen Reaktors in Bulgarien sehr rentabel macht", kommentierte Aziz Dag weiter.
Bulgarien exportiert derzeit Strom in die benachbarte Türkei, wo die Wirtschaft seit Jahren kontinuierlich wächst. Daran werde sich nach Ansicht der Energieexperten von Westinghouse in den kommenden Jahren nichts ändern. Nicht einmal die vier neuen Reaktorblöcke, die Russland in der Türkei baut, werden die Stromimporte aus Bulgarien mindern, hieß es. Der Grund sei die mächtige Industrie der Türkei, die jährlich Strom für mehr als 53 Milliarden Euro importiert.
Der Bau eines neuen Meilers im Atomkraftwerk Kosloduj werde zudem mehr als 20.000 neue Arbeitsplätze in einer wirtschaftlich schwachen Region Bulgariens schaffen. Die Arbeitslosenrate könne um 4 Prozent gesenkt werden, rechnet Westinghouse aus. Und noch mehr Zahlen: der Strompreis aus Kosloduj werde in den nächsten 60 Jahren bei rund 67 Euro pro Megawattstunde betragen. Momentan liegt der Preis bei 30 Euro pro Megawattstunde, was die Experten mit der relativ langen Betriebsdauer der bestehenden zwei Meiler in Kosloduj erklären, die älter als 20 Jahre sind. Zum Vergleich: der Strompreis des gestoppten russischen AKW-Projektes in Belene lag bei 75 Euro pro Megawattstunde.
70 Prozent der Anteile in der Aktiengesellschaft für den Bau des siebten Reaktors in Kosloduj hält das bulgarische Atomkraftwerk, 30 Prozent – der amerikanische Konzern Westinghouse. Die Verpflichtungen des US-Konzerns erübrigen sich mit dem Bau und der Inbetriebnahme des Reaktors. Bulgariens Regierungschef Bojko Borissow hat mehrmals betont, dass er das Projekt nur unter der Bedingung unterstützt, dass Westinghouse als Investor einsteigt. Eine endgültige Entscheidung des Kabinetts liegt allerdings nicht vor. Dem Vizepräsidenten von Westinghouse Michael Kirst zufolge dauern die Verhandlungen über die Finanzierung des Projektes noch an.
"Seit Dezember 2014 gibt es eine Arbeitsgruppe, die daran arbeitet", sagte Kirst. "Das Ziel ist, möglichst schnell zu einer Einigung zu gelangen. Uns fällt allerdings auf, dass es in Bulgarien so viele Meinungen zum Thema Atomkraft gibt, wie die Einwohnerzahl des Landes ist", kommentiert Kirst. Die endgültige Investitionsentscheidung werde nicht vor 2018 getroffen, was bedeutet, dass der neue Meiler im Atomkraftwerk Kosloduj frühestens 2025 ans Netz gehen könnte.
Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova
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