Land unter heißt es wieder für weite Teile Bulgariens. Die Liste der verheerenden Überschwemmungen ist lang. Bei Unwettern mit Dauerregen und Hochwasser sind in Bulgarien mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen. Besonders kritisch war die Lage im Osten und im Süden des Landes. In diesen Regionen traten mehrere Flüsse und ein großer Stausee über die Ufer. Ganze Dörfer sind überflutet, Hunderte Häuser – unbewohnbar. Erdrutsche haben ganze Straßenzüge in die Tiefe mitgerissen. Hunderte Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Um eine Flutkatastrophe zu vermeiden, wurde aus vielen Stauseen das Wasser kontrolliert abgelassen. Dutzende Gemeinden riefen den Notzustand aus. Die Fernsehbilder sind erschütternd – weinende alte Menschen, vollkommen hilflos vor der Flut, versuchen ihr Hab und Gut zu retten, das ihnen nach der letzten Überschwemmung übrig geblieben ist.
Diese Bilder wiederholen sich in den letzten Jahren wie ein Alptraum, den man nicht loswird. Es wiederholen sich auch die Überlegungen von Journalisten, Spezialisten und Betroffenen – sind wir gegen die Naturgewalt machtlos, rächt sich die Natur oder handelt es sich wieder um menschliches Versagen?
Von allem ein bisschen. Die Klimaveränderung ist Fakt. Die Grenze zwischen den vier Jahreszeiten ist selbst in Bulgarien seit Jahren verwischt und so kommt es immer öfters zu Dauerregen und Unwetter. Die Klimaveränderung ist seit langem im Gange, aber wir scheinen, sie lieber ignorieren zu wollen, und deshalb überraschen uns immer wieder Überschwemmungen, die uns unvorbereitet treffen. Die Flut in dieser Woche war für Warna, die Rhodopen, Misia im Nordwesten und Chan Krum im Nordosten wie ein Déjà vu. All diese Flutkatastrophen haben etwas gemeinsam. Niemand wurde zur Verantwortung gezogen, und nie lernten die Menschen aus ihrer Not. Denn bei allen Überschwemmungen bisher haben die Experten im Nachhinein festgestellt, dass die verheerenden Folgen vermieden werden konnten, wären Wälder nicht gerodet, wären die Flussbecken nicht von Abfällen versperrt, und wären die Abflussschächte regelmäßig gereinigt. Wohin man auch in Bulgarien hinfährt, es findet sich kein einziger Bach, der mit allerlei Abfällen nicht bestückt wäre – Plastiktüten flattern überall, leere Flaschen und Essensreste aus dem Mülleimer zuhause liegen herum. Die Flussbecken sind nicht nur von Abfällen versperrt, dort wachsen inzwischen große Bäume. Und die Wälder in den Bergen verschwinden zusehends – die illegale Rodung hat mittlerweile bedrohliche Ausmaße angenommen, nicht ohne die Billigung staatlicher Kontrollorgane, die an der Holzmafia mitverdienen. Die Schlamperei, ja die Fahrlässigkeit der Behörden hört aber bei weitem nicht nur mit der illegalen Abholzung auf – bis vor einem Monat, bis zur letzten Flut im Dezember also, waren die Eigentumsrechte bei über 250 Stauseen in Bulgarien ungeklärt. Bis heute ungeklärt ist der Zustand der Dämme. Von Vorbeugung keine Spur.
Und noch etwas – auch diesmal hat sich keine einzige betroffene Familie gefunden, die eine Wohngebäude- oder Hausratsversicherung abgeschlossen hat. Selbst im ärmsten EU-Land können sich die Menschen umgerechnet 50 Euro im Jahr leisten, um sich versichern zu lassen. Naturgewalten, wie die Überschwemmung durch den Dauerregen in dieser Woche, können innerhalb kurzer Zeit immense Schäden an Gebäuden und Einrichtungen verursachen. Um auf den Kosten für die Instandsetzung nicht vollständig sitzen zu bleiben, hilft nur ein entsprechender Versicherungsschutz. Und nicht Väterchen Staat. Verhaltensmuster können auch verändert werden.
Aus den Augen, aus dem Sinn. So wird es auch dieses Mal werden – die Flutkatastrophe geht vorbei, die nächste wird kommen. Und wir werden uns aber wieder keine Lehren aus der Not gezogen haben.
Fotos: Radostina Tschernokowa, Zwetomir Zwetanow
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