Vergesst South Stream! Putin hat die Pipeline ad acta gelegt. Also sollten wir nicht mehr länger über South Stream reden, sondern uns die Lage auch ohne das ehrgeizige Pipelineprojekt anschauen. Und siehe da – Brüssel rührt sich.
Nach dem Ende der russischen Gaspipeline South Stream treibt die EU die Zusammenarbeit mit alternativen Gaslieferanten voran. Um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, will die EU die Kapazität der neuen Gasleitung TAP erhöhen. Die Alternativleitung soll Gas aus dem Kaspischen Meer über die Türkei, Bulgarien, Griechenland, Albanien und Italien bis nach Mitteleuropa transportieren. Darauf habe sich in der vergangenen Woche der neue EU-Vizepräsident für die Energieunion, Maros Sefcovic, mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev sowie dem türkischen Energieminister Taner Yildiz verständigt. "Im Jahr 2019 würde das Gas vom Kaspischen Meer die europäische Grenze erreichen", sagte Sefcovic.
Darüber hinaus forderten Griechenland, Bulgarien und Rumänien den Bau von Gasleitungen, die die drei Länder miteinander verbinden sollen. Dabei hofft man auf EU-Geld, das Projekt selbst sei jedoch für die Union von erstrangiger Bedeutung, hieß es in Brüssel. Durch die vertikale Koppelung der Gasnetze Bulgariens, Griechenlands und Rumäniens sollen bis zu fünf Milliarden Kubikmeter Gas jährlich fließen können.
Wo ist Bulgarien in diesem Balkan-Gas-Gambit? Unter einem Gambit versteht man beim Schach eine Eröffnung, bei der eine Leichtfigur für eine taktische oder strategische Kompensation dem Gegner überlassen wird. Ein Gambit kann allerdings vom Gegner angenommen oder abgelehnt werden. Im Namen der EU-Energieregeln opferte Bulgarien angebliche Vorteile vom Pipelineprojekt South Stream und es sieht ganz danach aus, dass der Gegner dieses Opfer angenommen hat. In den Anstrengungen um Diversifizierung der Energielieferungen scheint Bulgarien nicht mehr allein zu sein. Das ist aber nicht alles.
Bulgarien fördert selbst Erdgas, allerdings in kleinen Mengen. Jährlich sind es rund 360 Millionen Kubikmeter, oder etwa ein Zehntel des Jahresverbrauchs. Neue Probebohrungen südlich und nördlich des Balkangebirges weisen etwa 22 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach. Anfang nächsten Jahres soll die Förderung beginnen, so dass die Erdgasmengen aus eigenen Vorkommen im Jahr darauf etwa 1,5 Milliarden Kubikmeter erreichen. Diese optimistische Prognose zeigt, dass Bulgarien durchaus die Hälfte seines Bedarfs selbst sichern könnte.
Die Wiener OMV hat unterdessen ihre Aktionäre informiert, dass die Gasmengen im bulgarischen Küstenabschnitt des Schwarzen Meeres vermutlich bei etwa 100 Milliarden Kubikmeter liegen. Sollte sich die Vermutung aus den laufenden Probebohrungen bestätigen, kann die OMV mit der Förderung bereits 2017 beginnen, hieß es. Fast zeitgleich kommentierte Bulgariens Ministerpräsident Borissow, Bulgarien werde bald vom Importeur zum Exporteur.
2012 hat Bulgarien der amerikanischen Gesellschaft Trans Atlantic Petroleum eine 35jährige Lizenz zu Erdgasbohrungen in Nordbulgarien vergeben. Die dortigen Gasmengen liegen bei 10 Milliarden Kubikmeter. Zur Gasförderung ist es allerdings noch nicht gekommen, denn die heimischen Parlamentsmitglieder haben in der Eile um das Schiefergasverbot auch die Förderung von konventionellem Erdgas verboten. Doch, das ist ein anderes Thema.
Die dritte Komponente des Gaspuzzles ist das Flüssiggas. Wegen der russischen Gas-Lobby in Bulgarien ist jedoch dieses Thema Tabu. Grundsätzlich ist eine Gasleitung eine langfristige strategische und milliardenschwere Investition. Die Koppelung der Gasnetze der Balkanländer ist eine taktische Diversifizierungsmöglichkeit für eine relative Energieunabhängigkeit. Wichtig ist, einen Gasspeicher für Flüssiggas zu haben. Dann kann man Gas aus allen Teilen der Welt zu Marktpreisen, spricht billiger, liefern. Ein solcher Speicher steht in Griechenland und an weiteren rund 20 Ortstätten in Europa mit einer Gesamtkapazität von 210 Milliarden Kubikmeter. Europa verbraucht aber nur 150 Milliarden.
Einen neuen Gasspeicher an der bulgarischen Schwarzmeerküste bauen zu lassen, macht wenig Sinn, denn die Türkei lässt Flüssiggastanker nicht durch den Bosporus. Dafür aber liegen die griechischen Ägäishäfen Kavala und Alexandroupolis keine 100 Kilometer von der bulgarischen Grenze entfernt. Und damit die bessere Lokalisierung für neue Gasspeicher für Südeuropa. Dann kann man auch sicher davon ausgehen, dass der Gaspreis von den heutigen 400 Dollar für 1000 Kubikmeter sich halbieren wird. Und daran haben auf dem Balkan nicht nur Bulgarien und Serbien Interesse, sondern alle Länder bis hin nach Slowenien, Ungarn und Österreich. Wo also Bulgarien im Gas-Gambit steht, ist klar. Gesucht wird ein Spieler, der dieses Spiel spielen kann.
Übersetzung: Vessela Vladkova
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