In der Nationalen Kunstgalerie in Sofia wurde eine ungewöhnliche Ausstellung eröffnet. Sie zeigt die Portraits von Polit-Häftlingen im ehemaligen Arbeitslager auf der Donauinsel Belene. Anlass für die Ausstellung ist natürlich der 25. Jahrestag der Wende. Die Portraits malte Peter Bajtschew – ein promovierter Jurist und Hobbymaler. Und – er malte sie heimlich. Bajtschew war fünf Jahre lang in Haft und traf im Arbeitslager viele Regimegegner, aber auch solche, die inhaftiert wurden nur, weil sie den falschen Familienstammbaum hatten.
Organisiert wird die Ausstellung vom Institut für die Aufarbeitung der neuesten bulgarischen Geschichte, das persönliche Geschichten, Erzählungen, Erinnerungen und Dokumente aus der kommunistischen Zeit aufsammelt und aufarbeitet. Das Institut hat rund 10.000 gedruckte Seiten mit Interviews ehemaliger politischer Häftlinge. „Wir möchten nur die Wahrheit erfahren und sie den kommenden Generationen reichen“, sagte bei der Ausstellungseröffnung Prof. Iwajlo Znepolski, der das Institut leitet.
Was passiert mit einem Menschen, dessen Leben eine plötzliche Wende erfährt, dessen Lebensweg abgeschnitten wird, dessen Fähigkeiten plötzlich an Bedeutung verlieren? Diesen Fragen versuchen die Portraits von Peter Bajtschew eine Antwort zu geben, wobei Bajtschew selbst jemand ist, dessen Leben eine unerwartete Wende erfahren hat. Jahrelang von seiner Familie getrennt, durfte Bajtschew nach seiner Freilassung aus dem Arbeitslager auf Belene nicht mehr zu seiner Familie zurück und seinen Beruf ausüben. „Er war aber offensichtlich ein innerlich freier Mann, denn er malte die Polit-Häftlinge und hinterließ uns somit ein wertvolles Erbe“, sagte Prof. Znepolski weiter.
„Unter allen abgemagerten und unterdrückten Häftlingen in zerlumpten alten Soldatenmänteln suchte Bajtschew eine bestimmte Gruppe aus, die für ihn eine Bedeutung hatte – die frühere Elite des Landes, die ehemaligen Abgeordneten, Minister, Oppositionsführer, Generäle, Industrielle und Banker“, sagt weiter Prof. Iwajlo Znepolski. „Sie alle hatten etwas gemeinsam – sie blieben innerlich frei, trotz der unmenschlichen Bedingungen des Arbeitslagers. Der promovierte Jurist und Hobbymaler Peter Bajtschew hat diese Portraits alle heimlich gemalt und heimlich aus dem Lager nach Hause getragen. Und wir sind ihm dafür sehr dankbar“, so Prof. Znepolski.
Es muss viel Mut gekostet haben, im streng bewachten Lager des Schreckens einer Beschäftigung nachzugehen, die einen von der Realität abhebt. Die Bilder sind stille Zeitzeugen dieser Realität. Minister, Generäle und Industrielle, die wir aus den Geschichtsbüchern kennen, sind auf den Portraits von Peter Bajtschew kaum wieder zu erkennen – abgemagert, übermüdet und schwermütig. Seine Bilder liefern den Beweis, was aus diesen Menschen im Arbeitslager geworden ist. Bei der Ausstellungseröffnung waren Bajtschews Kinder anwesend.
„Unser Vater hätte sich den heutigen Tag nicht vorstellen können“, sagt seine Tochter Ilina Bajtschewa. „In seiner knapp bemessenen Freizeit im Lager schrieb er sich alles auf, was ihm aufgefallen ist. Er schaffte es, in einem Brief an unsere Mutter, den er illegal abgeschickt hat, mit seiner unleserlichen Kleinschrift auf vier kleinen Zetteln Details des Lagerlebens zu beschreiben. Ganz am Schluss bat er sie, diese Zettel aufzubewahren, denn eines Tages könnte er sie brauchen. Diesen Tag hat er nicht erlebt, aber dieser Tag kam und deshalb freuen wir uns, dass wir diese Ausstellung heute organisieren konnten“, sagt die Tochter.
Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova
Ausstellungsfotos: Weneta Pawlowa
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