Wie demokratisch ist die als wirtschaftliches Allheilmittel gepriesene Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (kurz Transatlantisches Freihandelsabkommen)? Sind die reinen Handelsinteressen nicht zum Nachteil der Zivilgesellschaft? Um diese und andere Fragen ging es in einer Diskussion, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Bürgervereinigung "Solidarisches Bulgarien" veranstaltet wurde.
Auf den ersten Blick klingt die Idee zur Handelsliberalisierung zwischen den USA und der Europäischen Union recht verführerisch. Ihre Verfechter in Person der Europäischen Kommission und ihres früheren Präsidenten Jose Barroso behaupten, dass diese das Wirtschaftswachstum beschleunigen, neue Jobs bringen und den mittleren und kleineren Unternehmen den Kreditzugang erleichtern werde.
Allerdings sind die 230 Bürgerorganisationen aus 21 EU-Staaten, die eine Petition gegen das Freihandelsabkommen unterschrieben haben, anderer Meinung. Ihrer Ansicht nach sei dieses lediglich für Großkonzerne von Vorteil, für die Bürger des Alten Kontinents eher nicht. Die Petition ist unter stop-ttip.org einsehbar. Auch Politiker aus dem linken Spektrum äußerten, was den Charakter des Dokuments betrifft, auf der Konferenz ihre Bedenken. Völlig anderer Meinung ist dagegen Staatspräsident Rossen Plewneliew, der sich davon mehr US-Investitionen in Bulgarien verspricht. Die Diskussion um die Vor- und Nachteile dieses Abkommens für Bulgarien steht erst noch bevor.
"Im Mittelpunkt der Diskussion um das Abkommen steht zweifelsohne der demokratische Aspekt. Wie wir alle wissen, hat dieses Abkommen das ehrgeizige Ziel, global klingende Normen zu formulieren", erklärte der EU-Abgeordnete und Sozialist Georgi Pirinski.
Kritisch äußerte sich auch Arbeitsminister Iwajlo Kalfin. "Die Europäische Kommission hat errechnet, dass das Abkommen der europäischen Volkswirtschaft alljährlich rund 130 Milliarden Euro oder 1% Wachstum bringen würde, der US-Wirtschaft - rund 90 Milliarden Euro. Sowohl die europäische als auch die US-Wirtschaft sind relativ geschlossene Volkswirtschaften mit begrenztem Austausch mit der Außenwelt. Eine erfolgreiche Integrierung dieser Volkswirtschaften setzt relative Homogenität voraus, d.h. sie müssen in etwa den gleichen Entwicklungsstand haben."
Auch die verkürzten Fristen der Verhandlungen sorgen für viele Negativkommentare seitens der europäischen Bürger. Offiziell gestartet wurden die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen im Juli 2013, am 3. Oktober fand die siebte Verhandlungsrunde ihren Abschluss. Die Informationen darüber sind jedoch recht spärlich. Die Mehrheit zweifelt daran, dass das Abkommen wie geplant bis Ende 2015 unterzeichnet wird.
Trotz der augenscheinlichen Eile, das Abkommen zu Ende zu bringen, gibt es vier Themen, zu denen sich die EU und die USA nicht einigen können. Die Vereinigten Staaten sind gegen die Liberalisierung ihrer Finanzmärkte, die Europäische Union gegen die Aufgabe der Schutzmechanismen für lokale Hersteller und Herkunftsbezeichnungen wie französischer Champagner. Auch ist Europa gegen die von den USA geforderte Liberalisierung des Personendatenzugangs sowie gegen die Streitschlichtung durch ein internationales Schiedsgericht. Aus diesem Grund sah sich die Europäische Kommission auch gezwungen, eine interne Diskussion anzuschieben.
Die Befürchtungen der Bürgervereinigungen gehen dahin, dass lediglich der Investor ein Schiedsgericht anrufen kann, nicht jedoch der Staat, der in der Regel auf der Verliererseite ist und aus Steuergeldern zur Kasse gebeten wird.
Nach Ansicht des in Holland lebenden Software-Experten Georg Tuparew, der zudem dem Vorstand der Grünen angehört, könnten diese Streitschlichtungsmechanismen dazu führen, dass man, um den Ansprüchen von Großinvestoren gerecht zu werden, zu Privatisierungsmaßnahmen greift und damit den Zugang der Bürger zu Sozialbereichen wie Bildung, Gesundheit und Kultur beschränkt.
Für Petar Klisarow von der Partei "Direkte Demokratie" birgt die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens in seiner jetzigen Fassung die reelle Gefahr der Abschaffung von Regulierungsmechanismen in Bereichen wie Umwelt, Gesundheitswesen, Bildung, Personendatenschutz und Sozialpolitik. "Auf diese Weise", so Klisarow, "erschöpft sich das Modell der repräsentativen Demokratie und die Welt steuert auf ein von Wirtschaftsinteressen dominiertes globales Modell zu."
Übersetzung: Christine Christov
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