"Unabhängig von der am 30. Oktober erzielten Einigung zwischen Russland und der Ukraine könnten die Gaslieferungen durch die Ukraine im Winter eingestellt werden, da Gazprom im Winter nicht die Mengen bereitstellen kann, die für die europäischen Verbraucher erforderlich sind. In solchen Situationen greift der russische Gaskonzern gewöhnlich auf die in den unterirdischen Gasspeichern in der Ukraine gelagerten Vorräte zurück. Allerdings hat man den Moment verpasst, um das Gaslager in der Ukraine zu füllen und damit in diesem Winter den Bedarf aller Staaten zu decken."
Das erklärte der russische Analyst und Berater für Öl- und Gasindustrie Mihail Krutichin während seiner Sofia-Visite in einem Exklusivinterview für Radio Bulgarien. In der bulgarischen Hauptstadt nahm Krutichin an einer Diskussionsrunde zur Lage im russischen Gassektor und den Folgen für Europa und Bulgarien teil.
Laut Krutichin habe die Ukraine seit März dieses Jahres keine Gaslieferungen aus Russland erhalten, mit denen die Gaslager hätten aufgefüllt werden können. Das vorhandene Gas wiederum würde zur Abdeckung des ukrainischen Binnenbedarfs verwendet. Aus diesem Grund sei bei einem kalten Winter ein Lieferstopp nicht auszuschließen. Die bulgarischen Behörden sollten sich auf eine solch unangenehme Überraschung einstellen.
Für Bulgarien gibt es mehrere Möglichkeiten, die Lage um die Gaslieferungen zu entspannen. Erstens - die Diversifizierung der Lieferquellen. Langfristig muss der Interkonnektor, d.h. die Erdgas-Pipeline-Verbindung mit der Türkei gebaut werden, da Bulgarien mit Aserbaidschan einen Liefervertrag über jährlich eine halbe Milliarde Kubikmeter Gas unterzeichnet hat, die nach der Fertigstellung der Trasse in der Türkei bezogen werden könnten.
Auf EU-Ebene muss eine bessere Koordinierung vereinbart werden, um in kritischen Situationen auf Gasmengen aus anderen Ländern zurückgreifen zu können. Bisher ist das recht schwierig, da die Koordinierung auf EU-Ebene ein sehr niedriges Niveau aufweist.
"Drittens könnte man von Gazprom kurzfristig zusätzliches Gas kaufen. Dafür könnten diverse Unternehmen Verträge außerhalb der Staatsverträge oder der Verträge mit lokalen Partnern abschließen. Für solche Verträge bietet Gazprom günstigere Konditionen, Marktpreise an. Diese Praxis kommt in diversen Staaten zum Tragen", kommentiert Krutichin.
Wie sinnvoll ist das South-Stream-Projekt, partiell auch für Bulgarien, wenn man bedenkt, dass dafür bisher weder der Gaspreis festgelegt wurde, noch die Liefermengen gewährleistet sind? Nach Ansicht von Mihail Krutichin sei der wirtschaftliche Nutzen von South Stream derzeit unklar. Die einzigen Vorteile für die Länder, durch die die Trasse verlaufen soll, seien mit der Infrastruktur verbunden.
"Ursprünglich war das Projekt eine politische und keine wirtschaftliche Entscheidung. Dabei geht es vor allem darum, wie beim North-Stream-Projekt die Ukraine zu umgehen und sie unter dem Vorwand der Unsicherheit des Gastransits durch das Land der Einkünfte aus dem Gastransit zu berauben. Allerdings ist ersichtlich, dass sich die Ukraine strikt an die Transitvereinbarungen hält, so dass dieser Vorwand eher Dekorativcharakter hat. Dahinter verbirgt sich die Absicht, die Ukraine für ihren europäischen Entwicklungsweg abzustrafen."
Der Gesamtwert des South-Stream-Projekts wird mit über 70 Milliarden Dollar beziffert, wobei allein der sich derzeit im Bau befindliche russische Abschnitt auf 37-47 Milliarden Dollar geschätzt wird. Der europäische Anschnitt als auch der Abschnitt auf dem Meeresgrund sind weitaus günstiger. Folglich fällt bei den politischen Erwägungen der russische Etat ins Gewicht.
"Wenn Gazprom die South-Stream-Pipeline durch die europäischen Staaten auf eigene Rechnung bauen würde, könnte die Rechnung aufgehen. In diesem Fall würde es über eine sehr bequeme Infrastruktur verfügen und den Grundprinzipien des Dritten Energiepakets der EU entsprechen. Diese Struktur würde nämlich auch für Gaslieferungen anderer Quellen dienen - aus dem Kaspischen Raum, aus dem Iran und Kirgistan. Über die Türkei und Bulgarien könnte auch Gas aus anderen Ländern eingespeist werden. Auf diese Weise könnte die Trasse in Abhängigkeit von Nachfrage und Angebot gespeist werden", meint Mihail Krutichin.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt will jedoch weder Gazprom die Trasse für andere Lieferanten öffnen, noch wird die Europäische Union ihr Drittes Energiepaket zugunsten von Gazprom ändern, das mehr Auswahl für die Verbraucher, mehr Investitionen und mehr Liefersicherheit vorsieht. Hinter den Auflagen des Dritten Energiepakets der Europäischen Kommission stehen keine politischen Ziele. Die Regeln für dieses Paket wurden nicht erst gestern definiert und streben die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs bei den Gaslieferungen und die Beschränkung von Monopolpraktiken an. Hinter dem Dritten Energiepaket steht die marktwirtschaftliche Logik, ein Marktdiktat seitens der Monopolisten zu verhindern. In diesem Sinne ist es Russland, das mit diesem Vorgehen seine politischen Interessen verfolgt, nicht die EU. Nicht zuletzt ist der Energieexperte der Ansicht, dass sich Erdgas künftig immer weniger als politische Waffe eignen wird.
Übersetzung: Christine Christov
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