"Der Stimmenkauf ist ein Verbrechen" – mit diesem Satz endet jede Wahlwerbung im bulgarischen Fernsehen. Doch, leider sind die Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag von massiven Stimmenkäufen überschattet worden. Welchen konkreten Einfluss sie auf das Wahlergebnis haben, hat noch niemand genau erforscht. Die Signale, die selbst am Wahltag in die Zentrale Wahlkommission und in Nichtregierungsorganisationen eingegangen sind, sind Hunderte. Die Anklagen aber leider nur wenige.
Seit Jahren beobachtet die bulgarische Niederlassung vonTransparency International die Wahlen in Bulgarien und nimmt Signale über Wahlverstöße auf. So auch am 5. Oktober. Der Stimmenkauf gehört zu den am meisten verbreiteten Unregelmäßigkeiten. Wie kommt es, dass diese abstoßende Praxis jegliche Wahlen in Bulgarien begleitet? Dazu der Chef von Transparency International in Sofia, Kalin Slawow.
"Leider kommt es immer öfter vor und breitet sich aus. Die Politiker sinken immer tiefer und greifen zu verbotenen Mitteln, um den Wahlausgang zu beeinflussen", sagt Kalin Slawow. "In diesem Jahr haben wir sogar feststellen müssen, dass die Parteien keinen richtigen Wahlkampf geführt haben. Sie haben die Debatte gemieden und die Möglichkeit des Wahlkampfes nicht genutzt, um sich an die Wähler zu wenden und ihre Politik vorzustellen. Zu Stimmenkäufen kommt es, weil die bulgarische Gesellschaft tief degradiert ist. Ethik, Moral und Werte haben an Bedeutung verloren und dem alltäglichen Überlebenskampf Platz gemacht", resigniert Kalin Slawow.
Gemeinsam mit Politologen, Soziologen und Psychologen erforscht "Transparency International" seit Jahren die Ursachen für den Stimmenkauf. Die tiefe Wirtschaftskrise hat ganze Regionen des Landes zurückgeworfen. Die Menschen leben dort in einer feudalen Abhängigkeit vom Arbeitgeber, der ohnehin mickrige Gehälter zahlt, oder von örtlichen Wucherern, die ihre Kunden erpressen. Die Angst und die Ausweglosigkeit sind groß, sagt Slawow, und betont, dass sich der Stimmenkauf zunächst unter den Roma ausgebreitet hat, inzwischen aber auch alle übrigen ethnischen Bevölkerungsgruppen in Bulgarien betrifft. Diese Beobachtungen macht auch der Fernsehjournalist Rossen Zwetkow. Seine Enthüllungen mit versteckter Kamera gehören inzwischen zur Wahlberichterstattung in Bulgarien. So auch am vergangenen Sonntag.
"Meine letzte Enthüllung zeigt, wie man sich nicht nur Wählerstimmen kauft, sondern gleich einen Vorsitzenden der Wahlkommission in einem Wahllokal. Das ist also derjenige, der die freie Wahl garantieren soll. Für Geld ist er aber bereit, sich an der Wahlmanipulation zu beteiligen. In meiner Arbeit habe ich Manipulationen von absolut allen Parteien aufgedeckt. Es gibt keine einzige Partei in Bulgarien, die nicht mitmacht. Alle sitzen im gleichen Boot, denn sie wissen, wenn sie keine Stimmen kaufen, bleiben sie auf der Verliererseite", kommentiert Rossen Zwetkow.
Dem Enthüllungsjournalisten ist aufgefallen, dass der Preis in diesem Jahr deutlich nach unten gegangen ist. Während man früher bis zu 100 Euro pro Stimme gezahlt hat, waren es diesmal nur 25 Euro. "Offensichtlich sparen die Parteien ihr Geld und bereiten sich auf Neuwahlen vor", kommentiert Rossen Zwetkow.
Fotos: BGNES
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