Insignien der Monarchie, stilvolle bulgarische Orden, reich verzierte Hofkleidung für Diplomaten, nicht minder prächtige Trachten und Gemälde bekannter Maler – all das und viele andere Dinge mehr kann man in einer Ausstellung bewundern, die sich der Geburt des Dritten Bulgarenreiches und speziell dem Leben in Sofia und Umgebung an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert widmet.
„Es ist die Zeit, in der der bulgarische Staat neu gegründet würde – wiedergeboren nach fünf Jahrhunderten türkischer Fremdherrschaft“, erzählt die Kunstwissenschaftlerin Prof. Mila Santowa. „Bulgarien bahnte sich seinen Weg der Konstituierung, den es im europäischen Modell fand, da es ihm ohnehin geschichtlich verpflichtet ist. Die Ausstellung zeigt die sogenannte „silberne Verfassung“ aus dem Jahre 1911. Ihr Name rührt vom Einband her, der in Silber beschlagenen ist.“
Im genannten Jahr nahm die damalige Große Volksversammlung eine neue Verfassung an, die auf der grundlegend revidierten Verfassung von Tarnowo aus dem Jahre 1879 fußte. Das neue Grundgesetz bestätigt Bulgarien als ein Land, das seinem Wesen nach den europäischen Traditionen entspricht. Bulgarien öffnete sich damit vollends Europa. Mittlerweile war nämlich eine Generation an Intellektuellen herangereift, die überwiegend im europäischen Ausland eine Bildung genossen hatten.
Doch auch all die anderen Ausstellungsstücke dokumentieren das Bestreben des gesamten Volkes, sein europäisches Antlitz wiederzugewinnen. Die Exponate selbst stammen aus verschiedenen Museen der Hauptstadt Sofia sowie einer Privatsammlung und wurden liebevoll in einer Ausstellung im ehemaligen königlichen Schloss im Zentrum der Stadt angeordnet. Eine Ecke nannten die Kuratoren „Camera obscura“. Dort können die Besucher einige der ersten Filmaufnahmen sowie eine Slideshow mit alten Photos von Sofias Straßen und Plätzen bewundern.
„Interessant für die Betrachter ist, dass auf den Aufnahmen aus jener Zeit – Photos, wie auch Filmen, neben Menschen, die nach der neuesten europäischen Mode gekleidet sind, auch Bauern in ihren Trachten zu sehen sind, die aus den umliegenden Dörfern in die Hauptstadt kamen“, erzählt weiter Mila Santowa. „Die alten Traditionen waren so stark, dass sich selbst die königliche Familie gern in Trachtenkleidung zeigte und photographieren ließ. In der Ausstellung zeigen wir ein solches Photo mit dem König Ferdinand, seinen Kindern und seiner zweiten Ehefrau – alle in bulgarischen Trachten. Damit sollte symbolisch die geschlagene Brücke zwischen der alten und der neuen bulgarischen Kultur angedeutet werden.“
Akzente in der Ausstellung sind die Portraits der Herrscherfamilie, wie auch hochgestellter Persönlichkeiten. Darunter der Nationalschriftsteller Iwan Wasow und der für seine Politik der harten Hand bekannte Politiker Stefan Stambolow. Daneben sind auch wunderbar portraitierte Bauern zu sehen – gemalt von Ivan Mrkvička. Unter den Exponaten ist ferner ein vielteiliges Porzellanservice, das einen Damenwettbewerb unter der Leitung von Fürstin Eudokia gewonnen hat. Das Service wurde von Alexandra Hadschiwaltschewa angefertigt, die ihrerseits eine Verwandte des Athosmönches Paisii ist, der die „Slawobulgarische Geschichte“ verfasst hat – das erste Geschichtswerk unseres Landes in neubulgarischer Sprache. Interessant an dem Service ist, dass es mit Stickereimustern aus der Sofioter Umgebung geschmückt ist. Die Besucher können die Entstehungsgeschichte dieses Services nachlesen, wie auch die Geschichte einer Familie, die mit den kulturellen Prozessen jener Zeit in enger Beziehung steht.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Weneta Pawlowa
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