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1947: Repressionen gegen die Opposition

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Der Führer der Bauerunion Nikola Petkow
Foto: Archiv

1947 war ein Höhepunkt im Kampf um die politische Ausrichtung Bulgariens –Richtung Westen oder Richtung Sowjetunion.

Erfüllt Euch mit den Ideen von Stambolijski (der populärste Führer der Bauerunion in Bulgarien, Premierminister einer selbständigen Regierung der Bauernpartei, die von einem rechten Militärputsch gestürzt wurde, bei dem auch Stambolijski ermordet wurde) und von der Wichtigkeit des historischen Moments, wenn Bulgarien und das bulgarische Volk an der Schwelle zu einem neuen Leben stehen. Organisiert Euch in starke örtliche Organisationen der Bauerunion, in eine einheitliche schöpferische und ideenreiche Bauerunion. Durch starke Organisationen der Bauerunion werden wir eine starke Vaterländische Front aufbauen.

Das ist die Ansprache eines der Führer der Bauerunion, Nikola Petkow, über Radio Sofia am 13. September 1944, wenige Tage nachdem die Regierung der Vaterländischen Front die Macht übernommen hat. Die Vaterländische Front wurde 1942 in der Illegalität gebildet. Ihr gehörten neben den Kommunisten, Vertreter der Bauerunion, der Sozialdemokratischen Partei, des Politischen Kreises „Zweno“ und unabhängige Intellektuelle an. Das Ziel war die Vereinigung aller demokratischen und patriotischen Kräfte, die gegen die Bindung Bulgariens an die Politik von Nazi-Deutschland und des faschistischen Italien sind und gegen diejenigen Kräfte in Bulgarien, die die Deutschen unterstützten. Die Vaterländische Front hatte bis Ende 1942 etwa 100 örtliche Komitees.

Aus Vertretern dieser Kräfte wurde die Regierung der Vaterländischen Front gebildet, die am 9. September 1944 die Macht in Bulgarien übernahm. Ihr gehörte auch Nikola Petkow an. Dann aber kam es zu starken politischen Auseinadersetzungen über die weitere Entwicklung des Landes. Nikola Petkow verließ die Regierung und bildete seine eigene Bauernunion. Die große Bauernpartei war in drei geteilt; der eine Teil unterstütze weiterhin die Vaterländische Front. Der Entwicklung in Richtung auf einen Sozialismus sowjetischen Typs widersetzten sich die illegale und die legale Opposition. Den größten Teil der legalen Opposition bildete die Bauernunion von Nikola Petkow. Einer ihrer Aktivisten, Michail Mihajlow sagte 1990 in einem Interview mit BNR:

Die Wahlen fanden bei einer fürchterlichen Gewalt, Fälschungen und Terror statt. Trotz der Fälschungen und des Terrors erhielt die Bauernunion 1.300.000 Stimmen. Im Parlament entflammte ein erbitterter Kampf um die Gesetzgebung und das Programm und insbesondere gegen die Verfassung von Georgi Dimitrow. Der Sekretär der Bauernunion Nikola Petkow legte ein eigenes Programm und Verfassung vor.“ Das war die legale Opposition.

Die illegale Opposition bestand aus konspirativen Organisationen von früheren Offizieren und Angehörigen verbotener faschistischer Organisationen und Strukturen. Die illegalen militärischen Organisationen hießen „Zar Krum“, „Neutraler Offizier“ oder „Legionärszentrum“. Die illegale und die legale Opposition wurden zerschlagen und vor Gericht gestellt. Den Führern der legalen Opposition, wie Nikola Petkow wurde vorgeworfen, dass sie zusammen mit den konspirativen Offizieren einen militärischen Umsturz und Staatsstreich gegen die Regierung der Vaterländischen Front vorbereiten. Nikola Petkow wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet, andere kamen ins Gefängnis.

Am 10. Februar 1947 wurde in Paris der Friedensvertrag zwischen Bulgarien und den Staaten der Antihitlerkoalition unterzeichnet. Auch wenn Bulgarien unter der Regierung der Vaterländischen Front zur Niederwerfung der deutschen Wehrmacht und der Befreiung von Jugoslawien, Ungarn und Österreich mit vielen Toten und Verletzten beigetragen hat, wurden die Verdienste Bulgariens im Kampf gegen den Faschismus nicht anerkannt. Das Land musste Reparationen von 45 Millionen Dollar an Griechenland und 25 Millionen Dollar an Jugoslawien zahlen.

Die USA und Großbritannien ratifizierten den Friedensvertrag noch im gleichen Jahr und die sowjetischen Truppen verließen Bulgarien bis Ende des Jahres.

Georgi Dimitrow1947 wurde die erste bulgarische republikanische Verfassung verabschiedet. Im Dezember wurde die neue 23köpfige bulgarische Regierung gebildet. 14 der Regierungsmitgliedern waren Kommunisten. Premierminister war Georgi Dimitrow, der als Generalsekretär der Kommintern internationales Ansehen hatte und im Reichstagsbrandprozess 1933 Göring und Goebbels die Stirn bot.

Ende des Jahres wurden viele private Unternehmen und insbesondere die Banken verstaatlicht. Die internationale Mustermesse in Plowdiw wurde wiedereröffnet. Die erste Binnenfluglinie zwischen der Hauptstadt Sofia und der Schwarzmeerhafenstadt Burgas startete 1947. Und auch die erste internationale Fluglinie zwischen Sofia und Budapest.

Was sonst noch 1947 in Bulgarien passierte? Die Bulgarische Akademie der Wissenschaften wurde gestärkt und erweitert. Es wurden zahlreiche neue wissenschaftliche Forschungsinstitute gegründet: für Geologie, Zoologie, Botanik, Bodenkunde, bulgarische Geschichte, Städtebau und ein Naturhistorisches Museum. In diesem Jahr wurde in Sofia die Operette gegründet. Ebenso, die Philharmonie und die Komponistenvereinigung.

Übersetzung und Redaktion: Vladimir Daskalov



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