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Quo vadis, Gesundheit?

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80 Prozent der angehenden Ärzte in Bulgarien wollen auswandern. Das ergab eine Umfrage unter den Medizinstudenten, und schreckte auf. Was ist los, fragen sich viele. Die Umfrage drückte in Zahlen das aus, wovor Ärzte seit Jahren warnen. Die Medizin blutet aus. Und auch die Ursachen sind bekannt – falsch angesetzte Gesundheitsreform Ende der 1990er Jahre und verbrecherische Vernachlässigung des Gesundheitswesens seitdem.

Es gibt zwei mögliche Szenarien für die medizinischen Versorgung in Bulgarien in zehn Jahren: Entweder werden bis dahin die elektronische Abwicklung, die private Krankenversicherung und eine würdige Bezahlung der Ärzte und Krankenschwestern stattgefunden haben. Oder aber werden die jungen Ärzte bis dahin das Land verlassen haben, ihre älteren Kollegen werden in Rente gegangen sein und der Kollaps der medizinischen Versorgung wird unausweichlich sein. Momentan sieht es eher danach aus, dass das pessimistische Szenario eintrifft. Der Ärztemangel ist bereits zu spüren, insbesondere in den Fachgebieten Anästhesiologie, Pathoanatomie und Pädiatrie. Die jungen Ärzte verlassen Bulgarien mittlerweile unmittelbar nach dem Studium, ohne einen Arbeitstag im Krankenhaus. Ihre Gründe sind verständlich – beleidigend niedrige Gehälter, schlechte Weiterbildungsmöglichkeiten und kein Reformwille. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

Das Gesundheitswesen in Bulgarien wurde erst Ende der 1990er Jahre, und zwar einmalig reformiert. Damals sollte der Übergang von der staatlich geförderten Pflege zum marktorientierten Modell mit der Einführung der Krankenversicherung und der Gründung der staatlichen Krankenkasse mit einem Schlag erledigt werden. Schon damals war es den Experten klar, dass dies nicht gelingen wird. 15 Jahre später gibt es in Bulgarien nach wie vor nur eine, die allmächtige staatliche Krankenkasse, die das alleinige Sagen in der Finanzierung der medizinischen Dienstleistungen hat. Sie ist es auch, die Ärzte und Krankenhäuser kontrolliert, ohne selbst einer Kontrolle zu unterliegen. Als übermächtiger Monopolist ist die staatliche Krankenkasse, finanziert über den Staatshaushalt, Lobbyinteressen verschiedener Branchen ausgesetzt. Bis zur Korruption ist es nur ein Schritt. Private Krankenkassen, die für den Wettbewerb sorgen, gibt es keine, weil gesetzlich nicht zugelassen. Was vermuten lässt, dass sie ungewollt sind. Es fragt sich, wer davon profitiert.

Der überwiegende Teil der Krankenhäuser in Bulgarien ist entweder in staatlicher oder städtischer Hand. Hier hat man nicht einmal an Reformen gedacht, geschweige denn ansatzweise begonnen. Staatlich oder städtisch finanzierte Kliniken sind in einem armen Land, wie Bulgarien, per Definition unterfinanziert. Dazu noch, weil vom Markt unabhängig, nicht flexibel. Ihre erste Sorge ist die Sicherstellung minimaler medizinischer Versorgung. Jungen Ärzten finanzielle Reize, Weiterbildung oder gar Karriere anzubieten, ist ein Luxus, den sie sich nicht leisten können. Die medizinische Technik, mit der die Ärzte insbesondere auf dem Land arbeiten müssen, ist oft älter, als sie selbst. Da muss man sehr viel Begeisterung für den Beruf mitbringen, um als angehender Arzt in so einem Klinikum und dazu noch für wenig Geld arbeiten zu wollen. Junge Fachärzte bekommen im Normalfall ein Monatsgehalt knapp am Landesdurchschnitt. Ein 30jähriger Arzt aus Sofia hatte es kürzlich sehr trefflich beschrieben: "Die Medizin ist in Bulgarien mittlerweile ein kostspieliges Hobby geworden – nur wer ausreichend Geld mitbringt, kann sich das Studium und die fachärztliche Ausbildung finanzieren."

Das Gesundheitswesen braucht dringend tiefgreifende Reformen, die allerdings nicht auf der Agenda der Politiker stehen. Im Oktober wird in Bulgarien wieder ein neues Parlament gewählt. Wetten, dass das Gesundheitswesen im Wahlkampf, soweit vorhanden, nur populistisch erwähnt wird? Das neben der Bildung wichtigste soziale Thema für jede halbwegs moderne Gesellschaft ist unter Politikern hierzulande unbeliebt, weil es keine Wählerstimmen bringt. Der Ärztemangel wird in zehn Jahren spürbar, warnen die Ärzteverbände heute. Doch, zehn Jahre sind für die grundsätzlich kurzsichtigen Politiker in Bulgarien wohl eine viel zu lange Zeit.



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