Die bulgarische Übergangsregierung will den neuen 30-Kilometer-Zaun entlang der Grenze zur Türkei ausbauen, um so den Flüchtlingsstrom aus dem Nahen Osten abzuwehren. Wie der Ministerpräsident im Übergangskabinett Georgi Blisnaschki bekannt gab, sollen weitere 130 Kilometer der gemeinsamen Grenze abgedeckt werden. Die Investition beläuft sich auf rund 20 Millionen Euro.
Die Regierung ist überzeugt, dass der Grenzzaun den bulgarischen Steuerzahlern viel Geld einsparen werde, das momentan für verstärkte Patrouillen entlang der Landgrenze verausgabt wird. Gebaut wird in einer schwer zugänglichen hügeligen Landschaft, die bis zur Wende zum streng bewachten Grenzgebiet zwischen dem Warschauer Pakt und dem NATO-Land Türkei gehörte und deshalb kaum besiedelt ist. Dieses Gebiet bildet heute die EU-Außengrenze. An diesem Teilstück der bulgarisch-türkischen Grenze gibt es noch keine Videoüberwachung. Daher gelte der Stacheldrahtzaun als eine „schnelle und relativ billige“ Variante, argumentiert die Regierung.
Die zurückgetretene sozialistische Regierung hatte im vergangenen Winter einen 30 Kilometer langen Grenzzaun gebaut, um die Flüchtlingswelle aus dem Bürgerkriegsland Syrien zu stoppen.Am Dienstag hatte der bulgarische Außenminister, Daniel Mitow, erklärt, eine neue Flüchtlingswelle in Bulgarien infolge der Irak-Krise sei nicht auszuschließen. Im Vergleich zum Ansturm syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem vergangenen Jahr, als bis zu 1000 Menschen im Monat illegal die bulgarische Grenze passierten, könnte sich die Zahl der Asylsuchenden nun verdreifachen, sagte Außenminister Mitow. Durch die gemeinsame Landgrenze mit der Türkei ist Bulgarien neben Griechenland das einzige EU-Land, das Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsgebiet auf dem Landweg erreichen können.2013 sind Behördenangaben zufolge rund 11.000 Flüchtlinge nach Bulgarien geströmt, was für das Land eine Krisensituation darstellte. Mehr als eine Million Bürgerkriegsflüchtlinge sind bereits in der Türkei. Ihre Weiterreise nach Westeuropa, das sie als Endziel angeben, verläuft durch Bulgarien.
Der Grenzzaun rief widersprüchliche Reaktionen hervor und die Kritik aus dem eigenen Land ließ nicht lange auf sich warten. Menschenrechtler warnten, Bulgarien verletze seine eigene Verfassung sowie zahlreiche völkerrechtliche Konventionen, wenn es Asylsuchende abzuwehren versucht. Zudem sei ein Strafverfahren der EU nicht ausgeschlossen. Und auch die Vereinten Nationen hatten bereits Bulgarien für den Bau des Grenzzauns kritisiert, es sei unangemessen, das Flüchtlingsproblem durch Stacheldraht zu lösen. Es wird erwartet, dass auch die EU die Pläne der neuen Regierung in Sofia erneut stark in die Kritik nehmen wird.
Flüchtlinge aufnehmen aber, möchte die EU offenbar nicht so gern. Mehr als zwei Millionen Syrer sind derzeit auf der Flucht. Europa will lediglich 10.000 von ihnen aufnehmen. Und wenn möglich, nur christliche Familien. Deutschland und Schweden sind am großzügigsten, andere EU-Länder, wie Großbritannien oder Frankreich, halten sich eher zurück. Die EU beschränkt ihre Hilfe derzeit auf Geld. Das soll sich aber ändern.Der neuen EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker könnte auch ein eigener Kommissar für Migrationsfragen angehören.Die EU-Staats- und Regierungschefs haben bei ihrem Gipfel Ende Junierstmals ein konkretes Migrationsprogramm beschlossen. In den nächsten fünf Jahren sollen zusätzliche legale Einwanderungsmöglichkeiten geschaffen werden. Die Instrumente dafür, wie das Gemeinsame Europäische Asylsystem oder das Grenzüberwachungssystem EUROSUR sollen weiter implementiert, die EU-Grenzschutzagentur Frontex gestärkt und die Lasten „solidarisch“ getragen werden. Die solidarische Lastenverteilung ist das Schlüsselwort, denn die Einwanderung ist ein gesamteuropäisches Problem. Und ein akutes dazu. Zur Zeit rettet sich jeder, wie er kann. Bulgarien durch einen Grenzzaun. Solange es gravierende Unterschiede zwischen dem Lebensniveau in Afrika, Asien und Europa gibt, wird das Problem aber nicht aus der Welt zu schaffen sein. Ein Flüchtlingskommissar wäre nur dann sinnvoll, wenn die Migration auch wirklich von allen Ländern als gemeinsames Problem begriffen wird. Es muss eine Vereinbarung getroffen werden zwischen den Ländern, in die die Menschen einreisen, wie Italien, Griechenland, Spanien und Bulgarien, und den übrigen Ländern, die sie aufnehmen sollten. Solange eine solche Vereinbarung nicht gefunden ist, bleibt ein Migrationskommissar nur eine hübsche Zierde.
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