In den meisten Ländern, die mit Nazi-Deutschland verbündet oder von deutschen Truppen besetzt waren, fanden nach dem Zweiten Weltkrieg Prozesse zur Bestrafung der Kriegsverbrecher und der Kollaborateure statt. Die juristische Verfolgung der in der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen war von den Alliierten im Kriegsverlauf beschlossen worden.
In Bulgarien wurde ein Volksgericht geschaffen, vor dem die Schuldigen dafür gestellt werden sollten, dass Bulgarien in den Zweiten Weltkrieg gegen die Antihitlerkoalition verwickelt wurde und für die damit verbundenen Verbrechen verantwortlich sind. Als Beispiel sei genannt, dass die bulgarische Regierung für den abgeschnittenen Kopf eines Partisanen, der gegen die deutschen Truppen im Land und die mit ihren verbündete bulgarische Regierung kämpfte 50.000 Lewa Kopfgeld zahlte.
Am 1. Februar 1945 wurden von diesem Gericht die drei Regenten, 8 Berater des Zaren, 22 Minister, 67 Abgeordnete der 24. Volksversammlung und 47 Generäle und hohe Offiziere zum Tode verurteilt und hingerichtet. Insgesamt wurden vom Volksgericht 11.122 Personen angeklagt und 2730 zum Tode verurteilt.
Als Zeitzeuge wurde aus dem Archiv des Bulgarischen Nationalen Rundfunks die Aussage von Stephan Gruew ausgewählt. Sein Vater war Chef der Kanzlei von Zar Boris III. und wurde vom Volksgericht zu Tode verurteilt und hingerichtet. Zar Boris III. machte Bulgarien zum Verbündeten von Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien, die für den Zweiten Weltkrieg und seine 50 Millionen Toten verantwortlich sind. Stephan Gruew selbst arbeitete u. a. für den amerikanischen Propagandasender „Radio Freies Europa“.
„Wenn man überlegt, dass es beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess nur 12 Todesurteile gab. Es war bei uns ein totales, hysterisches und sadistischen Schlachten, die Vernichtung einer ganzen Klasse. Offensichtlich wohl überlegt, um jede Möglichkeit die neue Regierung zu bedrohen auszuschließen. Es wurde von Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen gemacht, aber es wurde aus Moskau gesteuert. Es schmerzt mich, dass ich und andere uns in den ersten Jahren zum Teil damit trösteten, dass es keine bulgarische Angelegenheit ist, sondern eine sowjetische und von Stalin. Aber man muss zugeben, dass die Vollstrecker sadistisch und ganz servil waren, eigentlich bezahlte Angestellte – sowjetische Bürger bulgarischer Abstammung.“
Parallel dazu liefen im besetzten Deutschland und vielen anderen Ländern ähnliche Prozesse. Insgesamt wurden von Gerichten der Siegermächte in Deutschland und anderen Ländern 50.000 bis 60.000 Menschen wegen NS-Verbrechen verurteilt. Die Zahl der Hinrichtungen von Kriegsverbrechern und Kollaborateuren in Frankreich beträgt zwischen 10.015 und etwa 2.000; nur ein Teil davon erfolgte nach Gerichtverfahren. In der Tschechoslowakei, in der die sog. Retributions- oder Vergeltungsprozesse mit der Zustimmung der Exilregierung in London eingeleitet wurden, wurden 30.000 Kollaborateure verurteilt, davon 700 zum Tode. In Dänemark wurden über 27.500 Personen wegen Kollaboration mit den Deutschen und Landesverrat verurteilt. In den Niederlanden wurde gegen 450.000 Personen wegen des Verdachts der Kollaboration ermittelt. 33.615 Personen wurden wegen Kollaboration mit den Deutschen verurteilt.
Im Archiv des Bulgarischen Nationalen Rundfunks ist auch eine Aufnahme mit der Anklageschrift vor dem Volksgericht, verlesen von Stephan Manow erhalten. Hier ein Auszug:
„Am Vorabend des 9. September d. J. stand Bulgarien zum dritten Mal in seiner kurzen Geschichte nach der Befreiung des Landes von der osmanischen Fremdherrschaft an der Schwelle einer furchtbaren Katastrophe. Heute besteht kein Zweifel, dass falls das bulgarische Volk in sich nicht ausreichend Kräfte gefunden hätte, um die faschistische Regierung abzuwerfen und am 9. September seine Regierung – die Regierung der Volksfront zu bilden, unser Land seine Unabhängigkeit völlig verlieren und von der Karte der freien und unabhängigen Staaten getilgt werden könnte. Wenn wir in unsere jüngste Geschichte zurück blicken, werden wir sehen, dass in allen nationalen Katastrophen, zu denen unser Volk geführt wurde, immer der Finger des deutschen Imperialismus erkennbar war. Instrument der deutschen Eroberungspolitik auf dem Balkan waren Zar Ferdinand und seine Dynastie, die verräterische und käufliche großbulgarische chauvinistische Klicke.“
Bulgarien war auch im Ersten Weltkrieg mit Deutschland verbündet, was am Ende zu einer nationalen Katastrophe für das Land führte. Das Oberste Gericht in Bulgarien hob im Jahre 1996 einen Teil der Urteile des Volksgerichts gegen die Kriegsverbrecher mit der Begründung „keine Beweise“ auf. Nach der Wende, wurde ab dem Jahr 2011 der 1. Februar zum Tag der Dankbarkeit und Achtung vor den Opfern des kommunistischen Regimes erklärt.
Übersetzung und Redaktion: Vladimir Daskalov
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