Der Westen hat die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise verschärft. Bulgarien gehört allem Anschein nach zu den Ländern, die davon stark betroffen werden. Die heimische Tourismusbranche verspürt bereits die Auswirkungen – zwischen 15.000 und 20.000 russische Urlauber werden in diesem Jahr ihre Sommerferien nicht an der bulgarischen Schwarzmeerküste verbringen. Der Grund sind Pleiten russischer Reiseveranstalter. Aber auch Russen, die eine Ferienwohnung in Bulgarien haben, bleiben zu Hause. Der schwache Rubel senkt die Kaufkraft. Und auch die instabile politische Lage lässt die Menschen, den Bulgarien-Urlaub streichen.
In einem Bericht erwartet der Internationale Währungsfonds, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Russland drei Urlaubsländer treffen werden – Bulgarien, Zypern und Montenegro. "Diese drei Länder sind beliebte Urlaubsdestinationen für russische Touristen", argumentiert der IWF. Die Tourismusbranche ist aber nicht die einzige, die in Mitleidenschaft gezogen wird. Laut IWF-Bericht kommen die russischen Kapitalanlagen bis zu fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts von Bulgarien, Weißrussland, Moldawien und Zypern gleich. Diese Woche kam auch die Meldung, dass sich der russische Erdölkonzern LukOil aus den osteuropäischen Märkten zurückzieht. Geschlossen werden sollen die Niederlassungen in Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Allein in Ungarn werden 138 LukOil-Tankstellen verkauft.
Die Europäische Union will durch die Sanktionen ein Umdenken in der Putinschen Außenpolitik erzwingen. Russlands Isolation soll die Bürger von ihrem mächtigen Präsidenten abwenden. Ob das der richtige Weg ist, sei dahin gestellt. Europa dürfte einen langen Atem brauchen, um Putin zu politischen Zugeständnissen in der Ukraine-Krise zu zwingen. Umfragen in der russischen Bevölkerung zeigen, dass sie mehrheitlich hinter ihrem Präsidenten und seiner Politik steht. Die Russen sind bereit, den Gürtel enger zu schnallen. Wie erste Analysen zeigen, wird aber zugleich der Druck auf die EU und ihre einzelnen Mitglieder wachsen. Fraglich ist, was aus dem hart verhandelten Sanktionskompromiss wird, wenn der Gashahn für die baltischen Republiken und Osteuropa auf Dauer zugedreht bleibt. Die Spannungen innerhalb der Union werden zunehmen. Vor allem, weil sich der wirtschaftliche Schaden russischer Vergeltungsmaßnahmen unterschiedlich über Europa verteilen wird.
Fraglich ist auch, wie kompakt die Europäische Union in der Umsetzung der Russland-Sanktionen bleibt. Geschichtlich haben die einzelnen Mitgliedsländer gravierende Unterschiede in ihrer Russland-Politik. Sie drücken sich auch in ihren Wirtschaftsbeziehungen aus. Derzeit verfolgen die EU-Länder ausschließlich eigene Interessen, und der Riesenprojekt der Gaspipeline South Stream ist ein Musterbeispiel dafür. Daran halten südeuropäische Mitglieder fest, darunter auch Bulgarien, weil sie Gas brauchen und sonst keine Alternative sehen. Mit von der Partie sind aber auch Italien, Ungarn und Österreich. Dieses Projekt wirft einen langen Schatten selbst auf die Ernennung des nächsten EU-Außenbeauftragten. Italiens Außenministerin Mogherini gilt eben wegen South Stream für "zu prorussisch" und deshalb unter einigen EU-Mitgliedern als inakzeptabel für diesen hohen Posten.
Die hochrangigen Posten-Rangeleien in Brüssel dürfen die einfachen Bürger der Union wenig treffen. Sie werden aber mit Sicherheit die Auswirkungen einer dauerhaften EU-Sanktionspolitik treffen. Ist die EU aber auf einen Stimmungswechsel unter ihren Bürgern gewappnet? Brüssel fehlt derzeit der Blick nach vorn, die Voraussicht. Es scheint, die Spitze der Union konzentriert sich momentan ausschließlich auf die Eskalation in den Beziehungen zu Moskau. Ob sie am längeren Hebel sitzt, ist fraglich.
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