„Für die meisten meiner Altersgenossen, die in anderen europäischen Ländern geboren wurden, bedeutet eine solche Rückkehr eine ergreifende Begegnung mit den Gräbern von Müttern, Vätern, Brüdern und Schwestern. Ich, die ich hier geboren wurde, und deren Kindheit in diesem wunderbaren Land verlief, besuche es zum zweiten Mal in den letzten Jahren mit großer Befriedigung und Liebe. Ihr Bulgaren wart anders als die anderen europäischen Völker. Dank dieses historischen Unterschiedes befinden wir uns hier heute bei diesem internationalen Ereignis, das der Rettung des bulgarischen Judentums gewidmet ist. Es gab Völker, die versuchten den Juden zu helfen, die von den Nazis verfolgt wurden. Es gab Völker, die zum Teil Juden retten konnten, aber es ist eine historische anerkannte Tatsache, dass die meisten europäischen Völker sich mit der ungeheuerlichen „Endlösung“ Hitlers abfanden und in vielen Fällen sogar bei ihrer Verwirklichung halfen.“
Die Verabschiedung von antijüdischen Gesetzen und ihre Verfolgung begannen in Europa schon Mitte bis Ende der 30er Jahre des XX. Jahrhunderts. Nach Deutschland wurde eine antijüdische Gesetzgebung in Rumänien, der Slowakei, Ungarn und in den besetzten Ländern Frankreich und Belgien verabschiedet und es entstanden Konzentrationslager. Auf der Wannseekonferenz in Berlin wurde Anfang 1942 die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen. Es begannen die Massendeportierungen von Juden aus allen besetzten Gebieten und den mit Nazideutschland verbündeten Staaten. Auf der Vernichtungsliste für die Juden nach Ländern stand für Bulgarien die Zahl 48,000.
Wir hören wieder Shulamid Shamir:
„Es ist anerkannt, dass aus allen europäischen Ländern, die vom Nazi-Stiefel niedergewalzt wurden – in der dunkelsten Periode in der Geschichte Europas und des jüdischen Volkes - wurden nur die Juden aus Bulgarien gerettet. Das werden wir nie vergessen. Ehre und Ruhm dem edlen bulgarischen Volk!“, sagt Shulamid Shamir. „Nicht, dass der Nazi-Henker die Juden aus Bulgarien nicht zur Schlachtbank führen wollte. Es ist bekannt, dass die Lastkähne des Todes in den Donauhäfen bereit lagen. Die Pläne für die Vertreibung der bulgarischen Juden waren bereit und fertig. Die Züge für den Transport der menschlichen Fracht standen in den Bahnhöfen bereit. Da sah die Geschichte eine wunderbare Erscheinung: ein ganzes Volk – Intellektuelle und Arbeiter, Menschen aus den Dörfern und Städten, die Kirche, die Heilige Synode, Frauen und Männer, standen auf, um ihre jüdischen Mitbürger gegen die faschistischen Behörden in dieser teuflischen Zeit zu retten.“
Die bulgarische Politik des Beitrittes zum Dreimächtepakt und in der jüdischen Frage war durch den Wunsch der Regierung und des Zaren bestimmt die von Bulgaren bewohnten Gebiete zusammen zu bringen nach den Katastrophen der Balkankriege und des ersten Weltkrieges angesichts der Befürchtungen, dass anderenfalls Bulgarien ebenso von der Wehrmacht überfahren wird, wie eine Reihe anderer europäischer Staaten. Deswegen wurde vom bulgarischen Parlament Ende 1940 das „Gesetz zum Schutz der Nation“ verabschiedet – rund zwei Monate vor dem Beitritt Bulgariens zum Dreimächtepakt. Trotz der Proteste gegen seine Verfassungswidrigkeit trat es in Kraft und führte eine Reihe von Verboten für die jüdische Gemeinschaft ein und eine sehr große Steuer auf ihren Besitz. Im Februar 1943 wurde unter dem Druck von Deutschland die Vereinbarung Belew- Dannecker über die Deportation von rund 20.000 Juden aus den neuen Bulgarien zugeschlagenen Gebieten unterzeichnet. Ihre wirkliche Zahl war aber nicht mehr als 14.000. Deswegen wollte das bulgarische Kommissariat für jüdische Fragen unter der Leitung von Alexandar Belew ihnen weitere 6.000 bis 8.000 Juden aus dem bisherigen bulgarischen Gebieten hinzufügen – aus den Regionen von Küstendil, Dupniza, Plowdiw und Pasardschik. Dieser unheimliche Plan schlug fehl. Er wurde vom stellvertretenden Parlamentspräsidenten Dimitar Peschew und bulgarischen Abgeordneten vereitelt, die davon erfuhren. Dimitar Peschew sammelte 43 Unterschriften von Abgeordneten für seinen berühmten Brief, der die geheimen Absichten der Regierung brandmarkte. Er verlor seinen Posten als stellvertretender Parlamentspräsident, aber die Bemühungen um die Rettung der bulgarischen Juden erhielten einen kräftigen Schub.
Einen Versuch die „jüdische Frage“ zu lösen gab es im gleichen Jahr. Deutschland forderte die Deportierung aller fast 50.000 bulgarischer Juden. Zar Boris wurden zwei Pläne vorgelegt. Der eine sah genau das vor, und der andere – die Umsiedlung von 20.000 Juden aus der Hauptstadt Sofia in die Provinz. Er billigte den zweiten Plan. Nach einem weiteren Treffen mit Hitler, bei dem er sich erneut weigerte bulgarische Soldaten an die Ostfront zu schicken und die Juden aus Bulgarien zu deportieren, starb der bulgarische Monarch. Aber die aktive Verfolgung der Juden hörte nach dem August 1943 in Bulgarien praktisch auf.
„Das ist ein wunderbares Kapitel in der Geschichte des bulgarischen Volkes und in der Geschichte des jüdischen Volkes. Dieser gemeinsame Teil der Geschichte beider Völker könnte zur Grundlage für eine starke seelische Verbindung zwischen ihnen werden.“
Das sagte 45 Jahre später Shulamid Shamir und bestätigte damit die Feststellung des deutschen Gesandten in Sofia, dass man die Bulgaren nicht überzeugen kann die Juden zu hassen.
Übersetzung: Vladimir Daskalov
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