"Frau für EU-Topjob gesucht" – die Sondierungsgespräche des frisch gewählten EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker für die Besetzung seiner Mannschaft erinnern stark an einer Stellenanzeige. Seit Mittwochabend sind auch weitere Anforderungen an die Kandidatinnen für den Posten des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik bekannt: sie soll möglichst Sozialistin sein und aus Osteuropa kommen. Als vorteilhaft bei der Bewerbung gilt, nicht zu russlandfreundlich zu sein.
Am Mittwochabend formulierte der bulgarische Noch-Regierungschef Orescharski die halbherzige Nominierung seines sozialistischen Minderheitskabinetts – nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Kommissionspräsident Juncker sagte er, die jetzige Kommissarin für humanitäre Hilfe Kristalina Georgiewa geht nur um den Posten der EU-Außenbeauftragten ins Rennen. Sollte sie scheitern, werde Bulgarien um ein "gutes" Ressort kämpfen, sagte der Regierungschef. Dann sei die bulgarische Kandidatur offen, auch wenn Georgiewa selbst dann Chancen hätte, in die EU-Kommission ernannt zu werden. Gescheitert ist bisher nur der Sondergipfel und die Besetzung der Spitzenposten vertagte sich auf Ende August.
Kommissionspräsident Juncker hat mehrmals beteuert, sein Team werde zu einem Drittel aus Frauen besetzt. Das fand die Unterstützung auch aus den Reihen der Sozialdemokraten. Formell ernennen die Regierungen der Mitgliedsstaaten ihre EU-Kommissare, die anschließend vom Europaparlament bestätigt werden. In der Praxis kommt es allerdings oftmals zum zähen Postenpoker zwischen beiden Großen im Parlament – Christdemokraten und Sozialdemokraten. Im Vorfeld des Sondergipfels dieser Woche kommentierten die Beobachter, eine Frauenkandidatur garantiere dem Land auf jeden Fall ein gut betuchtes Ressort in der Juncker-Kommission. Einige Mitgliedsländer haben ihre Kandidaten bereits nominiert und rühren seit Wochen die Werbetrommel. In Sofia hingegen herrscht Funkstille.
Die zögerliche Haltung Bulgariens bei der Nominierung für die neue EU-Kommission mag für Außenstehende unverständlich sein. Sie beweist aber wieder einmal, dass die hiesigen Spitzenpolitiker nicht in der Lage sind, über ihren eigenen Schatten zu springen. Trotz zahlreicher Andeutungen aus Brüssel, dass die jetzige bulgarische EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa in die neue Kommission gewünscht wird, konzentriert sich die sozialistische Regierung auf ihre verbleibenden Tage im Amt und überspringt alle Journalistenfragen nach dem bulgarischen Kandidaten, obwohl bei den Beratungen beim Präsidenten Ende Juni vereinbart wurde, sich mit den Parlamentsparteien auf eine starke Nominierung zu einigen. Es sah aus, als ob die Staatsführung aus den eigenen Fehlern in der Vergangenheit gelernt hätte und sich mit zweitrangigen Ressorts, wie Verbraucherschutz und Katastrophenhilfe nicht zufrieden geben wollte. Es sah aber nur so aus. Stattdessen geht der engstirnige Parteikampf unvermindert weiter.
Die sozialistische Regierung in Sofia steht seit Wochen stark unter Druck. Wegen der politischen Krise zögert sie mit der Nominierung des bulgarischen EU-Kommissars. Orescharskis Minderheitsregierung soll Ende des Monats und nur ein Jahr nach Amtsantritt zurücktreten. Die politische Krise in Bulgarien vertiefte sich wegen der Wahlschlappe der Sozialisten bei der EU-Wahl. Am 5. Oktober soll nun ein neues Parlament gewählt werden. In den Meinungsumfragen zeichnet sich wie bei der Europawahl ein Wahlsieg für die oppositionelle bürgerliche GERB-Partei ab, die Kristalina Georgiewa vor fünf Jahren zur EU-Kommissarin ernannt hatte.
Der Wunschkandidat der scheidenden sozialistischen Regierung in Sofia wäre der erst kürzlich zurückgetretene Vorsitzende der Bulgarischen Sozialistischen Partei, Sergej Stanischew. Er ist auch der Präsident der Sozialdemokratischen Partei Europas und wurde im Mai ins Europaparlament gewählt. Unbestätigten Medienberichten zufolge soll aber Stanischew bei einer Vorstandssitzung der Sozialisten auf seine Nominierung in die EU-Kommission verzichtet haben. Der Konjunktiv ist berechtigt, denn er hatte auch versichert, sein Mandat im Europaparlament nicht anzutreten, sollte er gewählt werden. Stanischew wurde gewählt und ... ist nach Straßburg abgereist. Welche Absichten der gescheiterte Politiker dort hat, ist unbekannt. Im Gespräch ist auch die stellvertretende Ministerpräsidentin und Justizministerin Zinaida Zlatanowa, die bis zum Amtsantritt der Regierung im Mai 2013 die Vertretung der EU-Kommission in Sofia leitete. Als möglicher Kandidat kursiert seit kurzem auch der Name des jetzigen Außenministers Christian Wigenin in den Medien.
Und die 60-jährige Ökonomin Kristalina Georgiewa ist die Kandidatin der bürgerlichen GERB-Partei. Sie war Vizepräsidentin der Weltbank in Washington, bevor die GERB sie 2010 in die EU-Kommission entsandt. Die Politikerin gilt als eine erfolgreiche Krisenschutzkommissarin und genießt in Bulgarien unvermindert hohes Ansehen.
Ihre halbherzige Nominierung von Ministerpräsident Orescharsiki beim EU-Gipfel verrät, wie kurzsichtig die bulgarischen Spitzenpolitiker sind. Öffentlich zuzugeben, dass sie momentan Bulgariens beste Wahl ist, scheint für die angeschlagenen Sozialisten ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
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