Versetzen wir uns in das Jahr 1940. Das wohl wichtigste Ereignis war der sogenannte „Vertrag von Craiova“, der am 7. September zwischen den damaligen Königreichen Bulgarien und Rumänien abgeschlossen wurde. Kraft dieser Vereinbarung wurde die Süd-Dobrudscha Bulgarien zurückgegeben und es fand ein Bevölkerungsaustausch statt. Das bulgarische Radio berichtete damals über dieses Ereignis wie folgt:
„Den Boden der goldenen Dobrudscha betreten voller Stolz unsere Kampffahrzeuge, die Panzer. Das Volk strömt ihnen begeistert mit offenen Armen entgegen. Das Bild ist herrlich anzuschauen und gleichzeitig rührend. Mehr als 15 Tage lang fanden hier Manifestationen der Freude statt, die den Beweis erbringen, dass die Dobrudscha Teil des bulgarischen Bodens ist, auf dem einst die Fundamente des Ersten Bulgarenreiches gelegt wurden. Die Dobrudscha war und ist die Wiege der bulgarischen Sippe und jeder Schritt auf diesem Boden trägt die Spuren unserer ruhmreichen Vergangenheit, unserer Wiedergeburt, erfüllt mit Lebenskraft und Zuversicht auf eine helle Zukunft...“
Die Dobrudscha hatte tatsächlich eine ruhmreiche, aber auch wechselhafte Geschichte hinter sich. Die sogenannte Dobrudscha-Frage taucht unmittelbar nach dem russisch-türkischen Krieg von 1877/78 auf, dem der bulgarische Staat seine Neugründung nach annähernd 500 Jahren türkischer Fremdherrschaft verdankt. Auf dem Berliner Kongress 1878, auf dem die Großmächte die neue Gebietsaufteilung endgültig besiegelten, wurde die Norddobrudscha als Gebietszuwachs Rumänien angeboten. Dafür nahm sich Kriegsgewinner Russland das Gebiet des südlichen Bessarabien, das es im vorangegangenen Krim-Krieg 1856 hatte an das Fürstentum Moldawien abtreten müssen. Rumänien sträubte sich anfänglich, denn die Dobrudscha war historisch gesehen bulgarisch und entsprechend seit jeher von Bulgaren besiedelt, wogegen Bessarabien mehrheitlich von Rumänen bewohnt war.
Doch schließlich musste sich Rumänien mit diesem Tausch zufrieden geben. Leidtragender war Bulgarien, das auf dem Berliner Kongress zerstückelt wurde. Teile wie Mazedonien und der Süden und Osten Thrakiens wurden sogar wieder türkisch. Eine Chance, die Dinge wieder einzurenken, ergaben sich im Vorfeld des Ersten Weltkrieges, als 1912 der Balkanbund gegründet wurde und Bulgarien, Serbien und Montenegro gemeinsam gegen das Osmanische Reich ins Feld zogen, um die noch unter türkischer Fremdherrschaft stehenden Gebiete zu befreien. Das glückte ihnen zwar, doch keiner gönnte Bulgarien seinen zustehenden Teil und die einstigen Verbündeten griffen 1913 Bulgarien an, wobei sich ihnen sogar das bis dahin neutrale Rumänien und das Osmanische Reich selbst anschlossen.
Bulgarien musste sich geschlagen geben und verlor schließlich u.a. auch den Süden der Dobrudscha. Der Erste Weltkrieg sah zu Beginn wiederum hoffnungserweckend aus, denn im Zuge der Kampfhandlungen war Rumänien zur Rückgabe der gesamten Dobrudscha veranlasst worden. Doch das Blatt wendete sich, Bulgarien gehörte zu den Verlierermächten und die Dobrudscha wurde erneut Rumänien einverleibt. Natürlich konnte Rumänien die bulgarisch dominierte Dobrudscha nur schwer halten. 1923 schufen Bulgaren in der Dobrudscha die sogenannte „Innere Dobrudschanische Revolutionäre Organisation“, die für den Anschluss an Bulgarien kämpfte. Sie wurde von Rumänien, wie nicht anders zu erwarten, mit allen Mitteln bekämpft.
Die Dinge änderten sich erneut, als sich Bulgarien und Rumänien im Zweiten Weltkrieg plötzlich als Verbündete gegenüberstanden. Nur so konnte wenigstens der Zustand nach dem Berliner Kongress wiederhergestellt werden – die Süd-Dobrudscha wurde Bulgarien abgetreten. Das ging natürlich nicht ohne den Druck Deutschlands vor sich, zumal Rumänien bereits andere Teile verloren hatte, wie Bessarabien an die Sowjetunion. Und dennoch wurde diese territoriale Neuordnung international als gerecht empfunden und selbst nach dem Zweiten Weltkrieg, bei dem Bulgarien erneut unter den Verliererstaaten war, wurde der Vertrag von Craiova von der Pariser Friedenskonferenz bestätigt.
Der in Craiova abgeschlossene Vertrag sah nicht nur den Austausch der Bevölkerung vor, sondern auch eine Entschädigung für das rumänische Eigentum in Höhe von einer Milliarde Lei. Bulgarien zahlte bereitwillig, denn die Euphorie hatte alle Bulgaren erfasst. Schließlich war es das erste Mal, dass Bulgarien auf friedlichem Wege Landesterritorium zurückerlangte. Der Jubel war groß.
Die Rückgabe der Süd-Dobrudscha kann mit Fug und Recht als eine enorme Leistung der Diplomatie des bulgarischen Herrschers Boris III. angesehen werden, denn sie geschah mitten im Krieg und ohne auch nur einen Tropfen Blut zu vergießen. Leider sollte es die große Ausnahme bleiben. Alle anderen ethnisch-bulgarischen Teile, die Kraft des Berliner Vertrages von 1878 außerhalb der Landesgrenzen blieben, wie auch spätere Gebietsverluste, mussten hingenommen werden.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Archiv
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