In Europa sind Störche die wohl beliebteste Vogelart. Der elegante Stelzer, der Held zahlreicher Märchen und Legenden, symbolisiert nicht nur den wiederkehrenden Frühling, sondern Fruchtbarkeit schlechthin. Auch Künstler mögen seit je her den Langbeiner als Motiv, wie er anmutig durch die Felder stolziert. Die industrielle Revolution scheint die Störche jedoch immer mehr aus unserem Leben zu verbannen. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Storchenpopulation auf dem Alten Kontinent merklich zu schrumpfen, was seitdem vielen Ökologen so manche schlaflose Nacht bereitet.
Die erste internationale Storchenzählung fand im Jahr 1934 statt und wird seitdem alle zehn Jahre vorgenommen. Sie wird von BirdLife International organisiert, dem Dachverband von ca. 110 Naturschutzorganisationen weltweit. Bulgarien hat sich diesem internationalen Monitoring in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts angeschlossen. Vom 15. Juni bis zum 10. Juli 2014 wird der Bulgarische Vogelschutzverband eine Zählung der Störche in Bulgarien vornehmen, die nächstes Jahr zur selben Zeit fortgesetzt werden soll. Die Reduktion oder das Anwachsen der Storchenpopulation ist ein wichtiges Indiz für die Umweltbedingungen im entsprechenden Habitat.
Derzeit wird das wohl weltweit größte Monitoring durchgeführt. Zum Glück ist die Umsetzung des Vorhabens relativ einfach, da selbst die Kinder wissen, wie Störche aussehen und so beteiligen sich auch die Kleinen an der Storchzählung. Bei dem Monitoring geht es nicht nur darum, die exakte Zahl der Stelzbeiner festzustellen, sondern auch die Gefahren zu definieren, denen sie ausgesetzt sind. Risiken bergen nicht nur die Industrialisierung, sondern auch der Anbau von Monokulturen, die Chemisierung der Agrarwirtschaft und der Schwund der Feuchtbiotope, wo die Störche hauptsächlich Futter suchen.
Was haben die bisherigen Storchenzählungen in Bulgarien belegt? Im Jahr 2004 haben ca. 5.000 Storchenpaare in Bulgarien genistet, die Zahl der ausgebrüteten Jungstörche belief sich auf ca. 12.500, erklärte Swilen Tschemedschiew, der die Kampagne in unserem Land koordiniert.
„Das ist ein Durchschnittwert für Europa“, stellt Swilen Tschemedschiew richtig. „Unser Land steht auf Platz 10 oder 11, was die Zahl der Störche angeht. Über die größte Weißstorchpopulation verfügt Polen mit über 46.000 Storchpärchen. Bei uns trifft man die meisten Störche in der Nähe der Städte Plowdiw, Haskowo und Plewen an. Bei Plowdiw haben wir letztes Mal 486 Storchenpaare registriert. Die meisten Storchnester findet man im Dorf Draguschinowo, unweit von Samokow, wo 36 Storchfamilien nisten. In Kosloduj gibt es 27 und in Saedinenie 26 Storchpärchen.“
Die Störche nisten immer öfter auf Strommasten anstatt auf Bäumen. Das wurde besonders nach den Zählungen 1994 und 2004 deutlich. Der Grund dafür liegt auf der Hand – große Bäume, die sich zum Nisten eignen, werden immer rarer, erläutert Swetoslaw Spasow vom Bulgarischen Vogelschutzverband und weiter: „Die meisten Nester, etwa 3.900 an der Zahl, wurden auf Strommasten gebaut, 950 auf Gebäuden, Dächern, Schornsteinen, Bäckereien und Schulen. Nur 680 wurden sich auf Bäumen errichtet, vor allem Maulbeerbäume und Eichen.“
Offensichtlich stößt die Liebe der Menschen zu den Störchen auf Gegenseitigkeit, denn die Langbeiner ziehen es vor, in Menschennähe zu nisten. Nur ein Drittel zieht völlig abgeschiedene Orte vor, um ihre Jungen dort groß zu ziehen.
Mit welchen Ergebnissen rechnet man bei der jetzigen Storchenzählung? Der Trend lässt sich nur schwer festlegen, meint Swetoslaw Spasow. „Zwischen 1994 und 2004 ist die Weißstorchpopulation um ca. 18. Prozent angewachsen“, erläutert Swetoslaw Spasow. „Wir führen das auf die Stagnation der intensiven Landwirtschaft zurück. Die früheren landwirtschaftlichen Genossenschaften haben en gros gearbeitet und vor allem Monokulturen unter Anwendung vieler Pflanzenschutzmittel angebaut. Diesem Trend wurde Anfang der 90er Jahre mit der Vernichtung der Landwirtschaft ein Ende ein Ende gesetzt. Die Natur hat sich der brach liegenden Äcker wieder bemächtigt, was zu einer Steigerung der biologischen Vielfalt geführt hat. Somit sind auch die Futterquellen für die Störche auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen gestiegen. Seitdem sich Bulgarien der Gemeinsamen Agrarpolitik angeschlossen hat, ist dieser Trend jedoch wieder rückläufig. Dank der EU-Subventionen werden viele brach liegende Flächen wieder aufbereitet. Viele Wiesen und Weiden, die binnen der letzten 20 bis 30 Jahre entstanden sind, werden nun landwirtschaftlich bearbeitet. Es ist interessant zu beobachten, wie das auf das Verhalten der Weißstörche reflektieren wird.“
Wovon zeugt das Monitoring anderer Feldvögel?
„In der Zeit zwischen 1995 und 1997 sind die Populationen vieler Feldvogelarten gewachsen, danach sind sie bis etwa 2010 wieder geschrumpft und dieser Trend hält sich“, sagt Swetoslaw Spasow. „Wie es sich aber mit der Weißstorchpopulation verhält, können wir derzeit nicht mit Sicherheit sagen, denn Störche sind an Feuchtzonen gebunden, so dass sich dort ein anderes Bild ergeben könnte“, betonte der Experte abschließend.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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