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Regine Schubert: Die Bulgaren haben mehr Vertrauen in europäische als in nationale Institutionen

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„Bulgarien ist doch kein Trojanisches Pferd Russlands in der Europäischen Union, wie der Spiegel behauptet“. Mit dieser Anspielung auf einen Spiegel-Artikel (Brückenkopf in die EU: Bundesregierung fürchtet Russlands Einfluss in Bulgarien) hat der bekannte bulgarische Politikwissenschaftler Prof. Georgi Karasimeonow das schlechte Abschneiden der nationalistischen EU-feindlichen Parteien bei der EU-Wahl in Bulgarien kommentiert. Denn die parlamentsvertretenen Nationalisten von Ataka setzten in ihrem Wahlkampf auf prorussische Parolen... und verloren. Zu dieser Schlussfolgerung kam auch die Landesvertreterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bulgarien, Regine Schubert. Das Büro der Stiftung organisierte in Sofia eine Diskussion über das Nachspiel nach der Europawahl in Bulgarien mit der Teilnahme renommierter Politologen. Über die Wahlen und ihre Folgen unterhielten wir uns mit Regine Schubert.


Haben Sie die Wahlergebnisse überrascht? Das war ja so nicht erwartet worden.

Die Ergebnisse waren sicher eine Überraschung, da sie allen Prognosen widersprochen haben. Bei allen Umfrageinstituten war immer die Rede von einem Kopf-an-Kopf-Rennen von GERB und der sozialistischen Partei BSP. Das ist nun ganz anders ausgegangen. Die niedrige Wahlbeteiligung war zu erwarten und da ist Bulgarien eher im Durchschnitt der EU-Länder. Ich denke, es ist ein europaweites Problem, dass die Bedeutung der Wahlen für das Europaparlament von den nationalen Bevölkerungen unterschätzt wird.“

Bulgarien gehört zu den Ländern, wo es keinen Rechtsruck gab. Die Bulgaren bleiben EU-freundlich. Wie erklären Sie sich das?

Die Bulgaren sind meiner Meinung nach überzeugte Europäer. Sicher gab es Enttäuschungen nach dem EU-Beitritt, so gab es z.B. nicht den erhofften schnellen wirtschaftlichen Aufschwung, bzw. die Angleichung an die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den alten EU-Ländern. Und dennoch: aus allen Gesprächen, die ich führe, überwiegen doch für die Bulgaren die positiven Aspekte des EU-Beitritts, also etwa die Freizügigkeit, Verbesserung der Infrastruktur usw. In Umfragen sind die Bulgaren diejenigen, die europaweit am überzeugtesten von der EU sind. Ich denke, es hat etwas mit dem mangelnden Vertrauen in den eigenen Staat zu tun. Den europäischen Institutionen wird weit mehr Vertrauen entgegengebracht, als den eigenen nationalen Institutionen und häufig wird gehofft, dass die EU als Korrektiv in Bulgarien wirkt. Und von daher ist für die Mehrheit der Bulgaren eine Beschneidung der Kompetenzen der EU bis hin zu einem Austritt aus der EU, was ja dem Programm der Euroskeptiker entspricht, absolut keine Option.“

Aber trotzdem – der Wahlkampf wurde ja nicht unbedingt zu Europathemen geführt und die Wahlbeteiligung war entsprechend niedrig. Also sind die EU-freundlichen Bulgaren trotzdem nicht wählen gegangen. Worauf führen Sie das zurück?

Ich denke doch, dass ein Großteil der EU-freundlichen Bulgaren wählen gegangen ist. Ich glaube, dass für die meisten Bulgaren die nationale Politik und die Verbesserung ihrer Lebensumstände im Vordergrund steht und da sehen sie keinen Verbund mit den Wahlen zum Europaparlament. Ich denke, das ist die Erklärung nicht nur in Bulgarien, sondern auch in den meisten EU-Mitgliedsstaaten, warum die Wahlbeteiligung so niedrig ist.

Kann man diese Europawahl als einen Test für die sozialistengeführte Regierung in Sofia betrachten? Wie wird sich diese Wahl auf die innenpolitische Entwicklung Bulgariens auswirken?

Natürlich wird der Druck auf die Regierung zunehmen – das sehen wir ja jetzt schon. Wir sehen, dass die Oppositionsparteien Neuwahlen fordern. Es ist auch zu erwarten, dass eine durch die Wahlen gestärkte DPS dieses gute Wahlergebnis dazu nutzen möchte, dass sie größeren Einfluss in der Regierung bekommt. Andererseits hat die BSP analysiert, dass viele ihrer Stammwähler zu Hause geblieben sind – aus dem Grund, dass sie die Handschrift der BSP in der Regierung nicht sehen. D.h. die BSP wird darauf drängen, dass ihr Programm in der Regierungspolitik sichtbar wird. Also das sind klare Einflüsse, die jetzt das Ergebnis der Europawahl auf die Politik hat. Zu welchem Ergebnis es im Endeffekt führt, kann ich nicht sagen. Ich wäre jedoch sehr vorsichtig in Bezug auf Prognosen für vorgezogene Parlamentswahlen, weil Europawahlen sind Europawahlen, und nationale Wahlen sind nationale Wahlen. Und wenn es um nationale Politik geht, fühlen sich die Bürger eher direkt betroffen und motiviert, an der Wahl teilzunehmen. Ich glaube, das gilt auch für die Stammwähler der BSP – viele sind zu Hause geblieben. Bei nationalen Wahlen wäre das anders. Und deshalb bin ich mir sicher, wenn wir heute vorgezogene Parlamentswahlen hätten, würden wir ein anderes Ergebnis bekommen, als bei den Europawahlen.“

Am überraschendsten waren wahrscheinlich die Soziologen nach dieser EU-Wahl. Da hat kaum eines der großen Meinungsforschungsinstitute die Wahlergebnisse so vorhergesagt, wie es gekommen ist. Wie erklären Sie sich das?

Ich habe dazu auch keine Erklärung und bin sehr gespannt auf eine Erklärung von den Meinungsumfrageinstituten. Ich habe bisher keine bekommen.“



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