Während der Mai-Feiertage machten wir uns, eine Gruppe von 3 Pilgern, auf dem Weg zur Halkidiki-Halbinsel in Griechenland. Unser Ziel war die Stadt Uranopolis auf der dritten Landzunge und dann das bulgarische Kloster „Sankt Georg“ in der Mönchsrepublik Athos.
Es ist nicht so einfach, ein Einreisevisum für die Republik Athos zu erhalten, doch dank der Kontakte und Fähigkeiten unseres Gastgebers hatten wir schon in zwei Stunden das begehrte Dokument in der Tasche. Der Heilige Berg Athos ist ein eigenwilliger Ort. Als Gründer des ersten Klosters gilt der byzantinische Mönch Athanasios Athonites. 963 legte er den Grundstein für das Kloster Megisti (übersetzt „große“) Lavra, das heute eines der größten dort ist. Die Tradition besagt, dass jeder orthodoxe Christ diesem geweihten Ort wenigstens einmal im Leben einen Besuch abstatten muss.
Die Klöster sind nur auf dem Seeweg erreichbar. Wir wählten eine Fähre mit einem tollen Aussichtsdeck, auf dem man einen herrlichen Blick auf die Klöster und die reizende Landschaft hat.
Die bulgarischen Pilger treten die Reise zum Athos oft ohne ihren Seelenhirten an. Bei uns saß aber ein gesprächiger bulgarischer Priester, der uns ausführlich über die Geschichte und die Rolle des bulgarischen Klosters informierte, das häufig der Heimat Bulgarien geholfen hat. So konnte ein Teil der Reparationen Bulgariens nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Goldschatz des Klosters gedeckt werden. Vom Priester erfuhren wir noch, dass derzeit in unserem Kloster große Rekonstruktionsarbeiten laufen, die kein Ende nehmen wollen. Er erzählte uns auch über den Alltag der Mönche, die ihr Brot selbst backen, Oliven und verschiedenes Obst und Gemüse anbauen und auch Wein keltern und Schnaps brennen.
Den Überlieferungen nach wurde das bulgarische Sankt-Georgs-Kloster im 9. oder 10. Jahrhundert errichtet. Das früheste Dokument, das mit ihm verbunden ist, stammt aus dem Jahre 980. Gemäß der Legende wurde es von den Brüdern Moisei, Aaron und Ivan Selima aus Ochrid im Jahre 919 gegründet. Als das Kloster gebaut wurde, wussten die Mönche aber nicht, welchen Heiligen sie es weihen sollten. Sie stellten in der Kirche ein unbemaltes Brett auf und am Morgen darauf bestaunten sie das Wunder: auf dem Brett war die Ikone des Heiligen Georg erschienen. Und so nahmen sie diesen Heiligen als Schutzpatron an und fügten den Beinahmen „Izograph“ an, was so viel wie „jemand der sich selbst gemalt hat“ heißt.
Als wir schon nach 15 Minuten im Kloster waren, sahen wir den Abt, der gerade in Begriff war, einen originalgetreuen Nachdruck der Slawo-bulgarischen Geschichte, zu segnen. Irgendwo in der Klosterbibliothek soll sich das Original dieses handschriftlichen Buches des Mönches Paisii befinden, das er im Jahre 1762 beendete und das heute als das erste Geschichtsbuch in bulgarischer Sprache gilt.
Die Vorbereitungen auf die Klosterfeier, die am 6 Mai ist, waren schon in vollem Gange. Im Hof standen einige große Kessel, in denen die Mönche 1.000 Eier kochten. Sie wurden alle Rot gefärbt und sollten als Geschenk an die Gäste verteilt werden. Der orthodoxe Kanon erlaubt, dass Eier auch zum Georgstag gefärbt und bemalt werden dürfen und nicht einzig zu Ostern.
Im überaus sauberen Speiseraum wird das Essen gleich nach jedem Gottesdienst serviert. Der Speiseplan ist überaus asketisch: Fischsuppe, Kichererbsen, ein Stück Käse und Brot. Die Mönche gehen durch die Reihen und bieten ein Glas Wein an.
Die Veränderungen in unserem Kloster sind wesentlich. Es wurde ein völlig neuer Gebäudeteil zur Unterbringung von Gästen gebaut. Mit Sicherheit ist das Kloster eines der letzten Refugien für die bulgarische Menschlichkeit und Geistigkeit. Es ist erstaunlich, aber keiner schließt sein Zimmer ab und es bleibt Tag und Nacht offen. Hier wird nichts gestohlen.
Die Nacht war für uns aber eine Strapaze, denn wir wurden wegen des Besucherandrangs in einem Schlafsaal untergebracht, in dem 32 Personen schlafen müssten. Im Kloster beginnt der Tag noch vor Sonnenaufgang - schon um vier Uhr morgens befanden wir auf dem Weg zur Kirche, wo wir dem Morgengottesdienst beiwohnten.
Nach dem Gottesdienst, der bis 8 Uhr dauerte, gingen wir langsam zum Hafen, wo unser Schiff auf uns wartete. Man konnte sehen, dass auch am Hafen viel gearbeitet wird, es bleibt aber auch noch viel zu tun. Als nächstes wird vielleicht die alte Windmühle renoviert, die zur Hafenanlage gehört.
Wieder in der Stadt angekommen, umgab uns die gewohnte Eitelkeit und der Lärm und wir brauchten einige Zeit, um uns wieder daran zu gewöhnen. Für uns war es genauso eine Umstellung, wie als wir in die Klosterwelt eintauchten. Nunmehr wieder in „unserer“ Welt angekommen, können wir Vergleiche machen, doch die Einschätzung fällt nicht einfach.
Fotos: Joan Kolev
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