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Total daneben: Regierende machen sich transparent, wirken aber wie Russlands Präsident

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Foto: BGNES

Die Woche begann mit einer faustdicken Überraschung. Der bulgarische Ministerpräsident Plamen Orescharski und die Parteivorsitzenden der beiden Regierungsparteien – Sozialisten und Türkenpartei – luden über 200 Medienvertreter an einen runden Tisch ein. Fast alle Chefredakteure, Verleger und Medienbesitzer fanden sich in Sofia ein. So etwas hat es bisher in Bulgarien nicht gegeben. Dieses imposante Medientreffen hatte auch einen Namen – „Transparente Regierung“. Also war sie bisher untransparent, oder?

Die sozialistengeführte Regierung muss sich die Kritik gefallen lassen, dass sie auffallend medienscheu ist. Oder zumindest im Vergleich zum mediengeilen Vorgängerkabinettschef. Aus dieser Überlegung heraus sollten die Pressevertreter in Bulgarien mit der präzedenzlosen Pressekonferenz am Montag überaus glücklich sein. Sind sie aber nicht. Weil es keine Pressekonferenz war, wo die Journalisten Fragen stellen – hier haben die Regierungsvertreter fleißig vorbereitete Antworten geliefert. Die Regierungsparteien haben dem Wahlkampf für die Europawahlen im Mai den Startschuss gegeben. Eine volle Stunde lang zählten der Regierungschef und beide Parteivorsitzenden die Errungenschaften des Kabinetts auf und verstreuten weitere Versprechen – Rentenzuschüsse zu Ostern, neues Modell der Agrarsubventionen, Energiezuschüsse für die Sozialschwachen, und, und, und. Das ganze war entsprechend in Szene gesetzt – im Nationalen Kulturpalast saßen Machthaber und Journalisten an einen riesigen runden Tisch, Staatsradio und Fernsehen haben live übertragen. Transparente Regierung in großen Lettern. Da haben sich bestimmt viele an die Vorwürfe der Sommerproteste erinnert, dass die Strippen dieser Marionettenregierung hinter den Kulissen gezogen werden.

Das grandiose live-übertragene Medientreffen hatte natürlich zum Ziel, die Wählerschaft zu mobilisieren, denn beide Regierungsparteien verlieren in letzter Zeit Boden unter den Füßen. Die über 100jährige sozialistische Partei spaltet sich zum ersten Mal seit der Wende – Ex-Präsident Parwanow ging in die Offensive und stellt eine eigene Liste für die Europawahlen auf. Nachdem er und seine Mitstreiter von der Mutterpartei BSP ausgeschlossen wurden, stehen die Zeichen auf eine neue Parteigründung – Parwanows Bürgerinitiative ABV wird vermutlich sehr bald eine sozialdemokratische Partei und damit eine Alternative zu den ehemaligen Kommunisten. Und auch der Juniorpartner in der Regierung, die liberale Türkenpartei DPS, muss um ihre Stellung als das Zünglein an der Waage in der politischen Mitte bangen. Das Zünglein an der Waage im jetzigen Parlament ist die nationalistische Ataka. Und bereits für Ende Mai bereitet ein neuer Spieler seine politische Premiere vor – der Populist Nikolaj Barekow mit seiner urplötzlich aus dem Nichts entstandenen Partei "Bulgarien ohne Zensur" liegt in den Umfragen auf Platz drei und damit vor der DPS.

Die propagandaähnlich organisierte Pressekonferenz der Regierungsmehrheit ist für Bulgarien ein Novum. Eine Stunde lang hatten die drei Gastgeber Orescharski, Stanischew und Mestan das Wort, anschließend hatten die rund 200 geladenen Journalisten anderthalb Stunden Zeit, um Fragen zu allerlei Themen zu stellen. Dass dabei kein einziges Thema tiefgreifend behandelt werden konnte, ist wohl klar. Angesehene Politikwissenschaftler suchen schon die ganze Woche nach ähnlichen Beispielen aus anderen demokratischen Ländern. Und fanden sie ... in Russland. Prof. Antonij Galabow kommentierte, nur Putin erlaube sich, die gesamte Presse zu sich in den Kreml einzuladen und ihr seine Thesen zu verbreiten. Um ganz korrekt zu sein, kennen auch die US-Präsidenten diese Praxis, allerdings sind Russland und die USA Weltmächte und vor allem – Präsidentschaftsrepubliken, wo der Staatschef ziemlich im Alleingang regiert. Bulgarien ist eine parlamentarische Republik.


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