Die alte Dame der bulgarischen Politik spaltet sich. Die Bulgarische sozialistische Partei ist nicht mehr das, was sie zur Wendezeit war. Die Partei mit großem "P" hat mindestens zwei ihrer emblematischen Zugpferde verloren. Ex-Präsident Georgi Parwanow (2002-2012) und Ex-Außenminister Iwajlo Kalfin (2005-2009) haben der Partei den Rücken gekehrt. Sie ziehen am 25. Mai mit einer alternativen zur sozialistischen Wahlliste in die Europawahlen. Zunächst hieß es, die Bürgerinitiative des ehemaligen sozialistischen Partei- und Staatschefs ABV stelle eine eigene Wahlliste für die Europawahlen auf, ohne aus der derzeit regierenden BSP auszutreten. Die BSP ließ sich dies nicht gefallen, verwies auf ihr Statut und schloss die Abtrünnigen aus. In der über einhundertjährigen Geschichte der vormals kommunistischen Partei hat sich wohl kaum etwas verändert. In der Parteizentrale heißt es nach wie vor: "Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns".
Die Sommerproteste in Bulgarien waren zu Beginn deshalb so massenhaft, weil Menschen mit allerlei politischen Überzeugungen eine gemeinsame und grundsätzliche Forderung hatten – Schluss mit den Seilschaften in Politik und Wirtschaft. Sie erinnern sich – der Auslöser war die äußerst umstrittene und untransparente Ernennung eines dubiosen Medienmoguls zum Geheimdienstchef. Allen war klar – damit soll einem wirtschaftlich und medienpolitisch starken Mann den Geheimdienstapparat in die Hände gelegt werden, um alte Rechnungen gegen die Vorgängerregierung zu begleichen.
Die Sommerproteste bestimmen bis heute noch die Tagesordnung in Bulgarien, auch wenn sie allabendlich nur wenige Demonstranten versammeln. Die Regierung traut sich kaum, zu reformieren, weil sie Angst vor der Straße hat. Die Wirtschaft tritt auf der Stelle, weil die Regierung nichts unternimmt.
Aber in der Gesellschaft tut sich etwas. Wenn auch nur zaghaft, kommt eine Diskussion über Ideen hoch. Wessen Interessen vertritt eigentlich die regierende sozialistische Partei? Welche Bevölkerungsschicht steht hinter den Sozialisten? Stehen sie rechts oder links von der Mitte? Dem Namen nach würde man denken, die Sozialisten denken links. In Bulgarien handeln sie aber rechts. Das Musterbeispiel dafür ist die einheitliche Flattax von 10 Prozent, eine Erfindung der Neoliberalen. Eingeführt haben sie in Bulgarien aber die Sozialisten. Zwar hat die BSP nach wie vor eine Stammwählerschaft, das beruht aber viel mehr auf alten Ressentiments der älteren Bevölkerung. Junge Wähler haben die Sozialisten so gut wie keine. Die Jungen fühlen sich von ihnen nicht vertreten. Und da sie sich auch rechts von der Mitte nicht vertreten fühlen, bzw. bereits mehrfach enttäuscht wurden, gehen sie einfach nicht wählen.
Das ist aber keine Lösung. Nun versucht Ex-Präsident Parwanow, eine Lösung anzubieten. Offensichtlich wird sich seine ABV-Bürgerinitiative in eine Partei umwandeln. Und zwar in eine sozialdemokratische. Denn entgegen der Meinung namhafter bulgarischer Politikwissenschaftler ist im linken politischen Spektrum durchaus Platz für eine sozialdemokratische Partei. Bisher war die ehemalige kommunistische Partei links von der Mitte so dominant, dass sich niemand traute, ihr diese Stellung strittig zu machen. Nun betritt aber mit Ex-Präsident Parwanow ein starker Spieler die Bühne des Parteikampfes. Er ist ein Mitreißertyp, hat lautstark die Regierungspartei kritisiert und sprach damit vielen Menschen aus der Seele. Die Umfragen sind auch sehr deutlich – die Sozialisten verlieren deutlich an Zuspruch und würden als zweitstärkste Kraft hinter der konservativen GERB-Partei landen, wären am Sonntag Wahlen. Das rief in der sozialistischen Parteizentrale Panik hervor, aber keine inhaltliche Debatte. Parwanow führt übrigens auch keine inhaltliche Debatte. Darauf müssen wir wohl noch warten. Sie ist dringend notwendig.
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