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Ikonen und Ikonostasen in Bulgarien

Ikonostase in einer bulgarischen Kirche in Istanbul
Foto: pravoslavieto.com

Die ersten bulgarischen Ikonen entstanden sicher unmittelbar nach der Annahme des Christentums im Ersten bulgarischen Reich als Staatsreligion. Johann Exarch, ein Zeitgenosse der Taufe des bulgarischen Volkes und hervorragender Schriftgelehrter unseres Landes aus jener Zeit, berichtet bereits über die innere Ausschmückung und Pracht der Kirchen in der Reichshauptstadt Preslaw. Er sorgte übrigens auch durch seine Schriften für die Erziehung seiner Landsleute zur Ikonenverehrung.

Ein weiterer bulgarischer Schriftgelehrter, der Presbyter Kosma, der Ende des 10., Anfang des 11. Jahrhunderts lebte und arbeitete, spricht in seiner “Rede gegen die Bogomilen” von Ikonen, die mit Farben auf Holz gemalt waren. Im Sinne des Beschlüsse des Nikäischen Konzils von 787 rügte er “die bösen Geister”, die sich “vor der auf das Brett gemalten gestalt des Herrn” fürchten, und erklärte, warum die Gläubigen sie verehren:

“Wir verneigen und weder vor den Farben, noch vor dem Holz, sondern vor jenem, dessen Gestalt dies war.” - so Presbyter Kosma. Die Geschichtschroniken aus jener Zeit berichten, dass der byzantinische Kaiser Tzimiskes, als er im Jahre 972 die Bulgarenhauptstadt Preslaw eroberte, von dort auch eine Ikone (aus dem Palast oder der Hofkirche) als Kriegstrophäe feierlich nach Konstantinopel gebracht hat. Die von den zeitgenössischen Historiographen erwähnten Ikonen waren sicher von heimischen Meistern gemalt.

Allerdings ist die einzige, aus Preslaw auf uns gekommene Ikone nicht eine auf Holz gemalte, sondern eine keramische Ikone. Ihre Bruchstücke wurden in den Ruinen eines Klosters in der Gegend Patleina, 7 km südöstlich von Preslaw gefunden. Sie ist auf quadratischen Fließen aus hellgelbem Ton gemalt und stellte die Gestalt des Heiligen Theodor in Lebensgröße dar. Aus den spärlichen Überresten konnte nur sein Gesicht und das nur lückenhaft wiederhergestellt werden. Sein Bildnis ist mit großer Expressivität, großer seelischer Einkehr und tiefem Ausdruck wiedergegeben. Kunsthistoriker ziehen unsere Aufmerksamkeit auf den runden Kopf, die ein wenig niedrige Stirn und die großen Augen des heiligen. Schon in dieser Ikone ist eine Kunst von größerer nationaler Eigenart zu entdecken.

Die Keramikmalerei war übrigens im Ersten Bulgarenreich (681-1018) eine der beliebtesten darstellenden Künste. Diese Kunsttechnik wurde von Vorderen Orient eingeführt, erhielt aber schnell ein nationales Gepräge. Außer für Ikonendarstellungen, wurden die bemalten Keramikfließen auch für rein dekorative Zwecke verwendet. In der Innen- und Außengestaltung fanden die vielfältigsten Formen von bemalter Keramik Anwendung. In späteren Jahrhunderten wurde diese Technik lediglich für die architektonische Außengestaltung benutzt.

Zurück zur Ikonenmalerei. In einigen Städten im westlichen Teil des Ersten Bulgarenreiches, die heute zu Serbien, Makedonien und Griechenland gehören, sind einige bulgarische Kirchenmalerein gut erhalten, die einen Eindruck von Aussehen der damaligen Ikonen geben. Diese Denkmäler werden der sogenannten Ochrider Schule zugeschrieben und sind charakteristisch durch ihren Zug ins Monumentale, durch den Naturalismus und die vertikale Gestaltung der Bildnisse, wie auch durch die skulpturartige Wiedergabe der Kleidung und Körper.

Aus der Zeit der byzantinischen Fremdherrschaft (1018 - 1186) sind heute nur zwei Ikonen im Kloster Nerezi, in der jetzigen Republik Makedonien, erhalten. Sie sind allerdings in rein byzantinischen, klassischen Stil gehalten und tragen keine Merkmale der bulgarischen Ikonenmalerei.

Bei weitem mehr Ikonen sind aus dem Zweiten Bulgarenreich (1018-1396) erhalten, da die Ikonen in jenen Jahrhunderten eine weite Verbreitung erlangten. Die Ikone kannte keine Grenzen auf dem Balkan, wo sie von den orthodoxen Völkern gleichermaßen verehrt und als gottesfürchtiges und kostbares Geschenk sehr begehrt wurde.

Eine berühmte bulgarische Ikone - das Antlitz Christi auf dem Schweißtuch - in der Kunstgeschichte unter der Bezeichnung “La Sainte Face de Laon” bekannt, machte die weite Wanderung nach Rom und gelangte von dort 1249 in die französische Stadt Laon. Sie war Anfang des 13. Jh. in der Reichshauptstadt Tarnowo entstanden.

Einige der heute erhaltenen Ikonen waren Schenkungen hochgestellter Persönlichkeiten. Dazu gehört als eine der bedeutendsten Ikonen des späten 14. Jahrhunderts die doppelseitige Ikone, die die byzantinische Kaiserin Helena, eine Enkelin des bulgarischen Zaren Iwan Alexander, dem Kloster von Poganovo, heute in Serbien, geschenkt hat.
Diese Ikone nimmt heute in der Ausstellung in der Krypta der Kathedrale des Hl. Alexander Newski in Sofia eine zentrale Stelle ein. Sie ist ein Besuchermagnet nicht nur auf Grund ihres hohen künstlerischen Wertes, sondern auch wegen ihrer Ausstrahlung, die sie nicht verloren hat, auch wenn sie nicht mehr ihrem Zweck entsprechend, beim Gottesdienst verwendet wird.

Es gibt noch viele andere Ikonen aus dem Zweiten Bulgarenreich, die erwähnenswert sind. Wir wollen an dieser Stelle nur auf die Ikone des heiligen Kliment von Ochrid verweisen, die heute im Kirchenmuseum in Sofia aufbewahrt wird. Der dargestellte Heilige weist eine symbolische Vergrößerung des Kopfes auf, die Gläubige, wie auch einfache Betrachter zum Nachsinnen veranlasst. Eine ganz gleichartige befindet sich in Ochrid, heute Makedonien.

Mit Beginn der Türkenherrschaft 1396 erlitt die Ikonenmalerei in Bulgarien einen starken Rückschlag. Kirchen und Klöster wurden niedergebrannt und an neue war gar nicht zu denken. Erst im 17. Jh. gestatteten es die Verhältnisse, neue Ikonen zu malen. Aus diesem Jahrhundert stammen auch die ersten signierten Ikonen. Obwohl dies ein Zeichen persönlichen Selbstbewusstseins war, blieben in der ersten Zeit die bulgarischen Ikonenmaler meist der alten byzantinischen Traditionen verhaftet und die nationalen Besonderheiten der einstigen bulgarischen Ikonenschulen waren in Vergessenheit geraten.

Eine neue Tendenz weit die Ikone des heiligen Iwan aus dem Rilagebirge auf. Neben der traditionellen Ikonographie sind auch folkloristische Motive zu bemerken. In jener Zeit begannen Volksikonenmaler zu wirken, die gleichzeitig mit ihren Werken auch die Volkskunst voranbrachten. Aus kunsthistorischer Sicht wurde aber selbst im Aufblühen der Ikonenmalerei gegen Ende der Türkenherrschaft Ende des 19. Jahrhunderts, die künstlerische Höhe des 13. und 14. Jahrhunderts nicht erreicht.

© Foto: pravoslavieto.com

Gottesmutter Hodegetria, Ikone aus dem 16. Jahrhundert in Nessebar 

Nun soll auch vom Aufstellungsort der Ikonen, die Ikonenbilderwand, Ikonostase genannt die Rede sein. Diese kann mit der Altarschranke in den katholischen Kirche verglichen werden. Beide haben den gleichen Ursprung, haben jedoch ihre eigene Entwicklungsrichtung eingeschlagen.

Einst trennte man den Altarraum vom übrigen Kirchenraum mit einem niedrigen Geländer aus Stein. Dieses wurde in reicheren Kirchen durch Säulen und andere Aufbauten ergänzt. Schließlich stellte man in den Zwischenräumen Ikonen auf, damit sie von den Gläubigen während des Gottesdienstes besser gesehen werden können.
Diese steinernen Altarschranken, bzw. Ikonostasen, wurden aber vor allem in den Kirchen des Ostens in Holz ausgeführt. Das Holz spielt nämlich eine besondere Rolle in der Symbolsprache der östlichen christlich-orthodoxen Mystik. Schon die frühchristlichen Tradition verbindet unzweideutig das Kreuzesopfer Christi und die Erlösung mit dem Baum des Lebens. So wurde als Material für bestimmte kirchliche Geräte und für die Innenausstattung der Kirchen dem Edelmetall und den Edelsteinen einfaches Holz vorgezogen.

Einen Höhepunkt in der Entwicklung der Symbolsprache wurde im 17. und 18. Jahrhundert auf der Athos-Halbinsel erreicht. Der symbolische Sinn der Ikonostase als Trennwand, war nicht mehr nur eine symbolische Darstellung des Himmels, sondern zeigte auch den Weg des Menschen zu Gott.

Die Ikonostase ist aus Holz - Holz, durch das Adam sündigte und durch welches Christus, “der neue Adam”, die Sünden der Menschheit gebüßt hat. Der Weg vom alten zum neuen Adam geht über die drei Geheimnisse des christlichen Mysteriums: die Taufe, die Eucharistie und die Auferstehung, die durch die drei Teile der Ikonostase dargestellt werden.

Der untere Teil der Ikonostase, auf dessen Tafeln unter den großen Ikonen Szenen aus dem Alten Testament geschnitzt sind, zeigt den “alten Adam”, die “in Sünde gefallene Menschheit”. Die Basen der Säulen haben die Form von Vasen, aus denen die Stämme des “Baumes der Weisheit und des Lebens” wachsen. Auf den Zweigen und an den Stämmen sitzen viele Vögel, die die Früchte der Bäume picken - Symbol derer, die zur Einführung in den Glauben streben. Dort befinden sich auch die Paradiesvögel - Alkonosten und Sirenen, die als Symbol der weltlichen Versuchung erscheinen. Die Kapitelle der Säulen schließen mit Darstellungen der Adler und Jünglinge ab - Symbole der geistigen Wiedergeburt nach der heiligen Taufe.

Das Wichtigste am oberen Teil der Ikonostase ist der Fries mit den Rebenblattornamenten - Symbol der Eucharistie. In der Mitte des Frieses, in einem Medaillon, ist das Bild Jesses, des Gründers des Davidstammes; zu beiden Seiten die Bildnisse der Propheten. Die Krönung der Ikonostase ist das Symbol des höchsten Geheimnisses, der gekreuzigte Christus, unter dessen Füßen der Schädel Adams liegt: “der alte und der neue Adam”. An beiden Seiten erscheinen die Darstellungen von Drachen - Symbole für die Hilflosigkeit der Bosheit vor dem Gottessohn - sowie die Figuren von Maria und Johannes.

Die Ikonostase vom Athostyp, wie sie auch in Bulgarien verbreitet ist, hat drei Türen: die Mittel- oder Königstür, die Süd- und die Nordtür. Die Königstür (auch Tür der Barmherzigkeit genannt) ist der Eingang in die göttliche Welt. In der Mitte dieser Tür wird die Szene “Verkündigung” dargestellt.

Auf dem Höhepunkt des Gottesdienstes wird die Tür geöffnet und es darf durch die nur der Eingeweihte eintreten. Zu beiden Seiten der Tür befinden sich Darstellungen von Ungeheuern, “die Hüter der Schwelle”, die den Weg für die Uneingeweihten versperren.

Die Zeit vom 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Blütezeit der athonischen und der unmittelbar mit ihr verbundenen bulgarischen Ikonostasen-Holzplastik. In den Schnitzwerkstätten auf der Athos-Halbinsel, wo hauptsächlich bulgarische Künstler beschäftigt gewesen sind, entstanden zahlreiche Ikonostasen.

Unter athonischen Einflüssen entwickelten sich in Bulgarien eine Reihe von Lokalschulen, die in allen Teilen der Balkanhalbinsel tätig gewesen sind. An erster Stelle gehört die Debar-Schule, die vor allem in West- und Südwestbulgarien tätig war. Die Samokow-Schule arbeitete vorwiegend im westlichen und zentralen Teil Bulgariens und die Schule von Trjawna hauptsächlich in Nordbulgarien.

По публикацията работи: Wladimir Wladimirow


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