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100 Jahre Balkankriege: Der erste Kampfflug in Europa

Das Flugzeug „Albatros“, mit dem Radul Milkow und Prodan Taraktschiew den ersten Kampfflug in Europa unternahmen.
Foto: www.lostbulgaria.com
In diesem Jahr begeht Bulgarien 100 Jahre seit dem Ersten Balkankrieg, in dem die noch unter türkischer Fremdherrschaft stehenden Gebiete der Balkanhalbinsel befreit werden sollten. Genau am 16. Oktober vor genau einem Jahrhundert unternahm Bulgarien den ersten Kampfflug in der Geschichte Europas.

Bevor wir näher darauf eingehen, sei in Kürze die damalige Lage geschildert: 1911 hatte Bulgarien den Gedanken eines Balkanbundes gegen das Osmanische Reich vorgebracht. Im Jahr darauf schlossen Bulgarien und Serbien einen Offensivvertrag, dem folgte ein bulgarisch-griechischer Vertrag und schließlich wurden bis zum September 1912 die entsprechenden Militärkonventionen unterzeichnet.
Am 8. Oktober erklärte Montenegro eigenmächtig der Türkei den Krieg; bis zum 17. folgten Bulgarien, Griechenland und Serbien. Das Osmanische Reich befand sich zu jener Zeit in einer politischen und wirtschaftlichen Krise und sah sich außer Stande, mit den ethnischen, religiösen und anderen inneren Konflikten fertig zu werden.
Die ersten militärischen Niederlagen blieben nicht aus: am 24. Oktober mussten sie Kumanovo und zwei Tage später auch Skopje räumen, am 8. Oktober Thessaloniki und am 18. Bitola.

Laut den Geheimabkommen im Balkanbund kam Griechenland und Serbien die Aufgabe zu, die militärisch relativ schwach geschützten Gebiete Makedonien und Kosovo von den Türken zu befreien, während sich Bulgarien der militärischen Hauptmacht der Türken an der Tschataldscha-Linie im Südosten Thrakiens entgegenstellen musste. Der Vorteil von Serbien und Griechenland lag auf der Hand. Während Bulgarien seine ganze Streitmacht nach Südosten in Richtung der Hauptstadt Konstantinopel richtete, verwirklichten Serbien und Griechenland auf verhältnismäßig leichte Weise ihr strategisches Ziel, eine gemeinsame Grenze zu bilden, indem die Gebiete Makedoniens mit vornämlich ethnisch bulgarischer Bevölkerung besetzt wurden.
Bulgarien sah sich außer Stande, seine ethnischen Territorien in diesem Teil der Balkanhalbinsel zu verteidigen und vertraute blind auf die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen, die eine korrekte Aufteilung der befreiten Gebiete nach dem Sieg über das Osmanische Reich vorsahen.

Doch zurück zur militärischen Seite des Ersten Balkankrieges. Das bulgarische Militärkommando war sich vollends bewusst, dass das Osmanische Reich über eine zahlenmäßig stärkere Streitmacht verfügte. Also konnte ein Sieg nur mittels Know-how erzielt werden. Im Jahr vor dem Balkankrieg hatte Italien in seinem Krieg gegen das Osmanische Reich um die Gebiete des heutigen Libyen eine neue Militärtechnik eingesetzt – die Luftwaffe. Die bulgarischen Militärs erkannten die Bedeutung dieser neuen Waffengattung und noch dazu besaß Bulgarien gute Voraussetzungen, diese zu entfalten.

© Foto: lostbulgaria.com

Simeon Petrow und Christo Topraktschiew mit anderen Piloten in der Blériot-Flugschule in Frankreich

An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Bulgaren zu den Pionieren der Luftfahrt gehören. Der erste bulgarische Flugapparat wurde bereits 1902 konstruiert und erfolgreich getestet. Es war ein Gleiter, der zusätzlich mit einem Propeller versehen war, der über Fußpedale in Drehung versetzt wurde. Als erste motorgetriebene bulgarische Flugkonstruktion ist die von 1910 anzusehen – ein Senkrechtstarter mit zwei horizontal angebrachten Propellern und einem, später zwei Elektromotoren. 1912 ließ der bulgarische Konstrukteur Georgi Boschinow sein Flugzeug „Boschinow 1“ in Frankreich patentieren. Im gleichen Jahr landete auch das erste ausländische Flugzeug in Bulgarien. Es war eine „Blériot“ aus Frankreich, gesteuert vom Bulgaren Simeon Petrow. Er hatte zusammen mit zwei weiteren Bulgaren – Christo Topraktschiew und Nikiphor Bogdanow, in Frankreich еinе Pilotenausbildung absolviert.

Die Franzosen waren vom Mut und dem Können der Bulgaren beeindruckt. So z.B. gelang es Simeon Petrow ein Flugzeug mit Motorversagen ohne Schäden zu landen. Dieser Vorfall veranlasste ihn in Zusammenarbeit mit seinen französischen Kollegen eine Methode auszuarbeiten, wie ein Flugzeug bei stehen gebliebenen Motor sicher wieder auf den Boden gebracht werden kann. Simeon Petrow unternahm mit Louis Blériot auch den ersten Nachtflug in der Geschichte Frankreichs. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass Simeon Petrow im September 1912 zum Kommandeur der Ersten Flugzeugstaffel der bulgarischen Streitkräfte ernannt wurde. Zu Beginn des Krieges verfügte Bulgarien lediglich über zwei Flugzeuge und zwei Beobachtungsballons. Doch bereits in den ersten Kriegsmonaten konnte aufgerüstet und die Flugzeugzahl auf 29 vergrößert werden.

Am 16. Oktober 1912 wurde über der Festung von Adrianopel der erste bulgarische Kampflug durchgeführt – vorerst ein Erkundungsflug. Zum Einsatz kam eine deutsche „Albatros“ mit Piloten Leutnant Radul Milkow und beobachtenden Offizier Prodan Taraktschiew. Die Mission war erfolgreich, wenn auch äußerst gefährlich, da zu jener Zeit die Flugzeuge sehr tief flogen und ein leichtes Ziel darstellten. Die Türken reagierten aber mit Panik angesichts der neuen Bedrohung, die aus der Luft kam.

Bis zum November 1912 folgten ein Dutzend Kampfflüge. Bei Adrianopel wurden auch zum ersten mal Flugzeuge zum Abwurf von Bomben genutzt – eine Vorgehensweise, die die weitere Kriegsführung international grundlegend veränderte. Die Bomben wurden damals noch von Hand abgeworfen. Dabei flogen die Flugzeuge mit geringer Geschwindigkeit – nicht schneller als 80 bis 85 Kilometer pro Stunde.

© Foto: www.lostbulgaria.com

Die bulgarische Flugstaffel beim Dorf Bulait, 1913

Die Zahl der Piloten in den Reihen der bulgarischen Streitkräfte erreichte die Zahl 26 – die Hälfte davon waren ausländische Freiwillige aus Italien, Russland, Frankreich und Großbritannien. Zu jener Zeit haftete dieser neuen Kampfart etwas romantisches, ritterliches an. Für die Beteiligten war es ein Abenteuer. Erst im darauffolgenden Ersten Weltkrieg verlor der Luftkampf seine noble Seite, als er zu einer Massenvernichtungswaffe wurde.
Doch noch war es nicht soweit – die „Ritterzeit der Lüfte“ regierte im Ersten Balkankrieg. Am 30. Oktober beteiligte sich zum ersten mal an einem Kampfflug auch eine Frau – Rajna Kassabowa, die sich als freiwillige Medizinschwester gemeldet hatte. Während des Fluges über Adrianopel warf sie Flugblätter ab, die die Festungsbesatzung aufrief, sich zu ergeben, um weiteres unnötiges Blutvergießen zu vermeiden.

Im Winter, wie auch im darauffolgenden Frühling des Jahres 1913 folgten Dutzende weitere Kampfflüge. Mittlerweile verfügte Bulgarien über drei Staffeln, die entsprechend bei der Festung von Adrianopel, der Tschataldscha-Linie vor den Toren Istanbuls und Bulair bei den Dardanellen zum Einsatz kamen. Die bulgarische Luftwaffe war es auch, die zur Einnahme von Adrianopel maßgeblich beitrug. Doch über die Schlacht um Adrianopel, die den Ausgang des ersten Balkankrieges entschied, wird es in einer der nächsten Ausgaben des Geschichtskalenders gehen.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
По публикацията работи: Weneta Pawlowa


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