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Giovanni Kessler: "Bulgarien spielt für die EU, die Kommission und OLAF eine Schlüsselrolle"

Foto: BGNES
Die bulgarische Ermittlungsbehörde reagiere nunmehr besser auf die internationale Finanzkriminalität und Korruption, betreffend die Interessen der Europäischen Union. So lautet das Fazit des Generaldirektors des Europäischen Amtes für Betrugbekämpfung (OLAF) Giovanni Kessler zu Abschluss seiner zweitägigen Visite in Bulgarien. Nach einer Unterredung der von ihm geleiteten Delegation mit Ministerpräsident Bojko Borissow in Sofia verwies OLAF-Chef Kessler auf die sehr gute und vertiefte Zusammenarbeit zwischen OLAF und der bulgarischen Filiale der Behörde beim bulgarischen Innenministerium namens AFKOS-Direktion.

Besonders wichtig, so Kessler, sei der politische Wille des Landes, bei der Bekämpfung dieser Art von Verbrechen mit den EU-Staaten und anderen Ämtern zu kooperieren. Die Zahl der Ermittlungen sei gestiegen, die Zusammenarbeit mit den Ämtern der Gemeinschaft sei verstärkt worden. Auch begrüßte OLAF-Chef Kessler die verabschiedeten Gesetzesnovellen, die der AFKOS-Direktion nunmehr den Rang eines Sonderbehörde einräumen, die zu eigenständigen Ermittlungen befugt ist. Seine Bulgarien-Visite bezeichnete OLAF-Chef Kessler als sehr bedeutsam.

"Aufgrund seiner geografischen Lage als Ostgrenze und seinen Erfahrungen im Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität, die die Finanzinteressen der europäischen Bürger betrifft, ist Bulgarien für die Gemeinschaft, die Kommission und für unser Amt von enormer Bedeutung. Vor allen kann Bulgarien auf Erfahrungen, Fähigkeiten und gute Ergebnisse im Kampf gegen den Zigarettenschmuggel in der Gemeinschaft verweisen. Durch Zigarettenschmuggel gehen der Gemeinschaft alljährlich über zehn Milliarden Euro verloren."

Im Mittelpunkt der Gespräche in Sofia stand zudem die Notwendigkeit eines integrierten europäischen Ansatzes gegen Wirtschaftskriminalität, vor allem dann, wenn die Hinterziehung von EU-Geldern die Wirtschafts- und Finanzinteressen mehrerer EU-Staaten betrifft. In derartigen Fällen soll ein europäischer Staatsanwalt nach einem einheitlichen Verfahren die Ermittlungen aufnehmen. Dieses Vorhaben soll 2013 im EU-Parlament und Europäischen Rat erörtert werden. Ein Beispiel für die Notwenigkeit einer solchen Institution ist der emblematische Prozess um die Hinterziehung von SAPARD-Geldern durch Bulgaren und Deutsche. Ausgelöst wurde dieser Prozess durch OLAF-Ermittlungen. Für ein und dasselbe Verbrechen befand das Gericht in Deutschland die Beteiligten für schuldig, das bulgarische Gericht, wenn auch in zweiter Instanz, erlies einen Freispruch. Giovanni Kessler zufolge müssten diese Verfahren erneut aufgerollt- und die Gründe für derartige Urteile analysiert werden.

"Die Fälle in Bulgarien und Deutschland sind identisch. Das Vergehen wurde in beiden Ländern zur gleichen Zeit und auf die selbe Weise begangen und ist somit ein länderübergreifendes Problem. Für ein und dasselbe Vergehen erging in Deutschland ein Schuldspruch wegen Hinterziehung von EU-Geldern, in Bulgarien wurde in zweiter Instanz Freispruch erlassen. Es bleibt abzuwarten, welches Urteil in dritter Instanz ergeht. Das ist ein konkretes Beispiel dafür, wie für ein und dasselbe Vergehen in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Urteile erlassen werden. Jedoch kann man aus diesem Fall auch eine Lehre ziehen. Es ist unlogisch, dass es für ein und denselben Fall zwei verschiedene Gerichtsverfahren mit unterschiedlichen Urteilssprüchen gibt. Das sind verlorene Zeit und Geld. Das Wichtigste jedoch ist, dass solche Fälle in einem der beiden Staaten zu ungerechten Urteilen führen können. Hier geht es nicht um Schuldzuweisung, sondern darum, die Motive für das Urteil zu ergründen. Auch muss geklärt werden, ob das Problem auf der Gesetzgebung, auf den Ermittlungen oder auf der Inkompetenz des Justizsystems bei der konkreten Anwendung des Gesetzes fußt. Ansonsten gibt es keine logische Erklärung für unterschiedliche Urteile. Diese beweisen die Richtigkeit unseres Vorschlags, in solchen Fällen einen europäischen Staatsanwalt einzusetzen. Gegen die subnationale Kriminalität müssen wir künftig grenzüberschreitend vorgehen."

Nach Auffassung von Ministerpräsident Bojko Borissow mache sich die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft aus reellen Gründen erforderlich.

"Diese Idee hatte ich schon länger. Glücklicherweise wurde sie von der Betrugsbehörde aufgegriffen und hat nun Schwerpunktstatus. Wir waren stets der Ansicht, dass es einer Europäischen Staatsanwaltschaft bedarf, die EU-weit tätig ist. Die länderübergreifenden Verbrechen, wie Menschen-, Waren- und Drogenschmuggel, betreffen mehrere Staaten. Jeder dieser Staaten hat seine eigene Gesetzgebung, Ämter und Behörden, sein eigenes Informationssystem oder seine eigene Verfahrensweise. Deshalb wird diese Angelegenheit auch im Lissabonner Vertrag behandelt, der ebenfalls erneut auf die EU-Agenda gestellt wird. Aus unseren praktischen Erfahrungen sowie als ehemalige Polizisten sind Herr Kessler und ich davon überzeugt, dass dieser Schritt in die richtige Richtung führt, d.h. in Richtung Kooperation zwischen der Europäischen Staatsanwaltschaft und dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung und den regionalen oder nationalen Strukturen der 28 EU-Mitgliedsstaaten, einschließlich Kroatien."

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Tatjana Obretenowa


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